Aussitzen und Hinhalten – Wie stellt sich das in der Praxis dar?


Sich für die Freilassung des Wikileaks-Gründers Julian Assange einzusetzen, scheint für lokale Politik und Medien ein heißes Eisen zu sein. Man versucht, das Thema auszusparen. Unbequeme Fragen lokaler Bürgerbewegungen werden gar nicht oder hinhaltend beantwortet. Geht man davon aus, dass Kraft und Mut derjenigen, die dem in London inhaftierten Journalisten beistehen, schon irgendwann versiegen werden? Der Erfolg einer solchen Strategie hängt davon ab, wie wir selbst diese annehmen.


Eingebettet in den Rahmen der Veranstaltung am 27. November 2019 vor dem DDV-Verlagshaus (Haus der Presse) in Dresden wurden eine Reihe von Redaktionen regionaler und lokaler Blätter und Sender per Pressemitteilung informiert und eingeladen, sich für den Journalisten Julian Assange einzusetzen, so die Sächsische Zeitung, der Mitteldeutsche Rundfunk, Sachsen-Fernsehen, die Madsack-Mediengruppe, Tag24, Morgenpost, Wochenkurier sowie die Dresdner Neuesten Nachrichten. Hier der Verteiler im Einzelnen:

Nachfolgend der Wortlaut der Pressemitteilung:


Sehr geehrte Damen und Herren,

zu Ihrer Kenntnisnahme:

Am Mittwoch, dem 27.11.19, findet um 16:30 eine Demonstration, organisiert durch die Friedensmahnwache Dresden, vor dem Haus der Presse in Dresden statt.

Die Demonstration trägt den Titel „Freiheit für Julian Assange – Stop der Folter und des Totschweigens“ und richtet sich unter anderem an die im Haus der Presse ansässigen Journalisten der DDV-Mediengruppe, stellvertretend für große Teile der etablierten Deutschen Medienlandschaft.

Für weiterführende Auskünfte stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,
i.A. Bernd Helwich


Auf diese Pressemitteilung gab es keinerlei Reaktionen, geschweige denn eine Veröffentlichung.

Auch fand die Veranstaltung selbst – obwohl sie unüberseh- und hörbar vor dem DDV-Verlagshaus stattfand – nicht die geringste Erwähnung als gesellschaftliche Aktivität mündiger Bürger im öffentlichen Raum der Stadt.

Außerdem wurden alle etablierten Parteien in der sächsischen Landeshauptstadt angeschrieben, das sind:

  • Alternative für Deutschland (AfD)
  • Bündnis 90 / Die Grünen
  • Christlich Demokratische Union (CDU)
  • Freie Demokratische Partei (FDP)
  • DIE LINKE (a1)
  • Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir setzen Sie hiermit über eine Demonstration am Mittwoch, dem 27.11.19, um 16:30 Uhr vor dem Haus der Presse in Kenntnis. 

Die Demonstration trägt den Titel „Freiheit für Julian Assange – Stop der Folter und des Totschweigens“. Als demokratische Partei Dresdens halten wir es für angemessen, Sie zu dieser Demonstration einzuladen und Ihnen die Möglichkeit zu geben, an der Verteidigung der Pressefreiheit teilzuhaben. Was mit Julian Assange derzeit geschieht ist ein erschreckendes Exempel, welches für all jene statuiert wird, die sich der Wahrheit statt der Macht verschreiben.

Wir würden uns über Ihre Teilnahme sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen,
Bernd Helwich (i.A. der Mahnwache für Frieden Dresden)


Im folgenden der übermittelte Einladungstext zur Demonstration:


„Einer der größten Journalisten und wichtigsten Dissidenten unserer Zeit wird vom Staat vor unseren Augen zu Tode gefoltert. Julian Assange braucht unsere Hilfe. Dafür, dass er die Wahrheit ans Licht gebracht hat sitzt er in menschenunwürdiger Haft. Das ist keine Übertreibung.

„Herr Assange wurde über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg bewusst schweren Formen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ausgesetzt, deren kumulative Auswirkungen nur als psychologische Folter beschrieben werden können.“ (zitiert von: Nils Melzer, UN-Sonderberichterstatters zu Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe.)

Warum sind die Medien nicht voll von diesem Skandal?

Wir nehmen nicht hin, dass der Fall des Julien Assange totgeschwiegen wird. Deshalb demonstrieren wir am Mittwoch, dem 27.11. ab 16:30 Uhr vor dem Haus der Presse.

Wir fordern die Journalisten der ansässigen Redaktionen auf, die Misshandlung dieses großen Journalisten zu thematisieren! An Assange wird ein Exempel statuiert, welches Journalisten aufzeigt, was mit ihnen
geschehen kann wenn sie sich gegen die Verbrechen der Mächtigen zur Wehr setzen. Das dürfen wir nicht zulassen, eine Demokratie lebt nur, wenn die Machenschaften der Herrschenden transparent und sichtbar gemacht werden!

Bitte kommt zahlreich, lautstark und gern auch mit Transparenten und Schildern!

Lasst uns Solidarität mit einem mutigen Menschen zeigen, der seine Freiheit für die unsrige aufgab!

Mittwoch, 27.11., 16:30 Uhr vor dem Haus der Presse in Dresden!“


Auch hier das Ignorieren und Aussitzen: Jegliche Reaktion aus den Reihen von Parteivertretern in und außerhalb des Stadtparlaments blieb aus.

An die DDV-Mediengruppe ging schließlich dieses Schreiben:


Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte hiermit Ihre Berichterstattung im Fall Julian Assange kritisieren und Ihnen die Möglichkeit zur Äußerung bzw. Aufklärung einräumen.

Bestürzt musste ich feststellen, dass in den letzten Monaten in der Berichterstattung Ihres Hauses quasi kein Wort zur Inhaftierung und Isolation des Investigativjournalisten und Whistleblowers Julian Assange zu vernehmen war. Jener Julian Assange, der es uns mit der Gründung der Plattform WikiLeaks ermöglichte, Verbrechen und Lügen von Regierungen aufzudecken.

Er tat mit der Veröffentlichung von Kriegsverbrechen der USA im Irak und in Afghanistan genau das, was Journalisten als die vierte Macht im Staate tun sollten:

nämlich die Regierenden kontrollieren. Für diesen Mut sitzt er Herr Assange nun in England in Isolationshaft mit Ausblick auf Auslieferung in die USA. Es gehört schon viel Naivität dazu, um zu glauben, es gänge bei dieser Haft tatsächlich um die “Verletzung von Kautionsauflagen”, wie es in den hiesigen Medien gern formuliert wird.

An Julian Assange soll vielmehr ein Exempel statuiert werden, ein Exempel dafür, dass wer sich mit den Mächtigen anlegt, ein hartes Schicksal zu erwarten hat. Bereits im Mai diesen Jahres bestätigte der UN-Sonderberichterstatter für Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, Nils Melzer, dass Julian Assange psychischer Folter unterliegt (https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=24665&LangID=E).

“Mr. Assange has been deliberately exposed, for a period of several years, to progressively severe forms of cruel, inhuman or degrading treatment or punishment, the cumulative effects of which can only be described as psychological torture.”

“In 20 years of work with victims of war, violence and political persecution I have never seen a group of democratic States ganging up to deliberately isolate, demonise and abuse a single individual for such a long time and with so little regard for human dignity and the rule of law[…] The collective persecution of Julian Assange must end here and now!”

Dies sind Aussagen über Praktiken westlicher Staaten die eigentlich für öffentliche Empörung sorgen müssten. Wären die Täter Russland oder der Iran, gäbe es wahrscheinlich einen Sturm der Entrüstung und die Bundesrepublik würde dem Gefolterten Asyl anbieten. Nichts dergleichen geschieht aber bei Julian Assange.

Deshalb möchte ich an dieser Stelle das Wort an ihre Redaktion richten:

Mir bleibt völlig schleierhaft, wie Sie die systematische Erniedrigung eines so wichtigen Journalisten seit Monaten ignorieren können. Ich bitte Sie hiermit um eine Stellungnahme zu ihrem Schweigen bezüglich der psychischen Folterung des Julian Assange.

Abschließend möchte ich Sie als Journalisten mit einem Zitat von Milosz Matuschek aus einem Beitrag von Deutschlandfunk-Kultur am 16.08.2019 auf die Tragweite dieses Falles hinweisen:

“Assange ist kein Amerikaner. Er ist nicht an US-Sicherheitsgesetze gebunden. Wird er an die USA ausgeliefert und dort verurteilt, kann morgen jeder Publizist, Journalist oder Intellektuelle der Welt wegen Spionage in den USA verurteilt werden. Und zwar für die Veröffentlichung von unangenehmen Wahrheiten für Mächtige. Solidarität mit Assange ist Solidarität mit der Wahrheit. Letztere siegt zwar am Ende immer, aber in einer funktionierenden Demokratie siegt sie eben sofort, hier und jetzt.”

Zur Information Ihrerseits sei gesagt, dass ich es mir vorbehalte, dieses Schreiben und Ihre Antwort zu veröffentlichen und so einem größeren Publikum zugänglich zu machen.

Ich verbleibe besorgt und in Erwartung Ihres Antwortschreibens.

Mit freundlichen Grüßen,
Bernd Helwich


Die Annahme, dass Lokalpolitik sich nicht mit solch „großen Dingen“ zu beschäftigen hat, ist bequemer Selbstbetrug. Alles beginnt im Kleinen und es gibt eine Verantwortung im Kleinen. Ja, vielleicht ist das sogar die einzig wirklich authentische Verantwortung. In dieser darf jeder Mensch selbst Antworten auf diese Frage suchen:

Was können wir tun?

Bitte bleiben Sie schön aufmerksam.


Anmerkungen und Quellen

(Allgemein) Übersetzung aus dem Englischen – insbesondere die möglichst wörtliche in den Zitaten – durch Peds Ansichten, ebenso die Hinzufügung von Quellen. Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden. Bei Verlinkungen auf weitere Artikel von Peds Ansichten finden Sie dort auch die externen Quellen, mit denen die Aussagen im aktuellen Text belegt werden. Der Klarname des Unterzeichners wurde auf dessen Wunsch geändert.

(a1) Es sei angemerkt, dass die Stadtratsfraktion von „DIE LINKE“ in Dresden die thematisierte Veranstaltung immerhin auf ihrer Facebook-Präsenz bewarb.

(Titelbild) Kerzen für Julian Assange, Mahnwache für Frieden Dresden; 18.11.2019 in Dresden; Lizenz: persönliche Genehmigung des Autors

Von Ped

5 Gedanken zu „Die Masche des Aussitzens“
  1. Assange hinter Gittern, von Felicity Ruby
    Daniela Politik & Gesellschaft Kommentare deaktiviert für Assange hinter Gittern, von Felicity Ruby
    Julian Assange, Belmarsh, Hochsicherheitsgefängnis, Felicity Ruby
    Photo by Aswin Deth on Unsplash

    Ein kurzes Wort von mir zum Artikel von Felicity Ruby. Vor 30 Jahren stand ich auf der Strasse, kämpfte für die Freiheit. Der Gefahr ausgesetzt, verhaftet zu werden, mit dem Wissen, ein Neugeborenes zu Hause zu haben, ging ich das Risiko ein. Ich konnte nicht warten, denn es war der Zeitpunkt, mein Land zu verändern. Mein Fokus war die Freiheit: Die Freiheit reden zu dürfen, schreiben zu dürfen ohne Angst vor politischer Verfolgung. Ich habe mich zu einem freien Menschen entwickelt, mehr als das: Ich bin eine Kosmopolitin, ich denke nicht in Grenzen. Mein Blick geht täglich über die ganze Welt. Die Freiheit des Wortes, die der Journalisten, ist in Gefahr. Deshalb kämpfe ich heute, nach 30 Jahren, wieder für die Freiheit. Etwas stiller, etwas leiser. Dafür, dass Julian Assange wieder in die Arme seiner Eltern zurückkehren kann, für freien Journalismus. Gleichzeitig gegen Krieg und das geschäftige Treiben um Milliarden Gewinne. In einer globalisierten Welt müssen wir global denken.

    Der originale Artikel wurde veröffentlicht im Arena Magazine Nr. 1. 162, Okt.-Nov. 2019. Veröffentlicht am 27. September 2019

    Ein Besuch im Belmarsh Hochsicherheitsgefängnis

    Ich habe Julian Assange nur in Haft erlebt. Seit neun Jahren besuche ich ihn in England und bringe Neuigkeiten und Solidarität aus Australien. Nach Ellingham Hall hatte ich Musik und Schokolade mitgebracht, zur ecuadorianischen Botschaft brachte ich Flanellhemden, Rake, Wizz Fizz und Eukalyptusblätter, aber ins Belmarscher Gefängnis kann man nichts mitbringen – kein Geschenk, kein Buch, kein Blatt Papier. Dann kehrte ich nach Australien zurück, einem so weit entfernten Land, das ihn in nahezu jeder Hinsicht verlassen hat.

    Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, nicht zu fragen: „Wie geht es dir?“, denn es ist verdammt offensichtlich, wie es ihm geht: festgehalten, beschmiert, verleumdet, unfrei, eingesperrt, immer schmaler, kälter, dunkler – und feuchter werdende Tunnel, verfolgt und bestraft wegen seiner Veröffentlichungen. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, mich nicht über den Regen zu beschweren oder zu bemerken, was für ein schöner Tag es ist, denn er ist schon so lange drin, dass ein Schneesturm ein Segen wäre. Ich habe auch gelernt, dass es nicht tröstlich, aber grausam ist, von Sonnenuntergängen, Kookaburras, Roadtrips zu sprechen; Es ist nicht hilfreich, ihm zu versichern, dass er, wie ich und mein Hund, Tierspuren im Busch finden wird, wenn er nach Hause kommt, auch wenn ich es fast jeden Tag denke.

    Es ist die fortdauernde und intensivierende Natur seiner Gefangenschaft, die mich trifft, wenn ich in der ersten Reihe vor der Haustür des braunen Backsteingefängnisses warte. Im Besucherzentrum gegenüber wurde ich nach Vorlage von zwei Adressbescheinigungen und meinem Reisepass mit dem Fingerabdruck erfasst. Ich bin sicher, sie werden mir alles aus den Taschen ziehen, deshalb habe ich meine Taschen verschlossen und behalte nur 20 Pfund für Schokolade und Sandwiches bei mir. Trotz des anschließenden Sicherheitstheaters wird das Geld irgendwann durch nicht weniger als vier Durchgänge geklaut, die von hinten verschlossen sind, bevor sich die nächste Tür öffnet, einen Metalldetektor, der mich durchsucht, meinen Mund und Ohren inspizieren lässt. Nachdem wir unsere Schuhe wieder angezogen haben, überqueren wir einen Außenbereich und sehen uns mit der Realität des Käfigs konfrontiert: graue Stahlgeflechte mit einem rundum etwa vier Meter hohem Stahldrahtzaun. Ich eile in das nächste Gebäude, bevor ich in einen Raum gehe, in dem dreißig kleine Tische am Boden befestigt sind, wobei ein blauer Plastikstuhl jeweils drei grünen Plastikstühlen gegenübersteht.

    Er sitzt auf einem der blauen Plastikstühle

    Jetzt zögere ich, wie immer, ihn zu beschreiben. Auch das habe ich gelernt: Ein schützender Impuls gegen die krankhafte Faszination einiger Anhänger und gegen andere, die sich über sein Leiden freuen. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich bereits stark, als er die Botschaft verließ. Er bestätigt, dass er sich noch auf der Gesundheitsstation befindet, obwohl er keine Spezialisten aufgesucht hat, was offensichtlich nach allem, was er durchgemacht hat, notwendig wäre. Er erklärt, wie man ihn von seiner Zelle aus hinein- und heraus transportiert, wo er 22 Stunden am Tag unter sogenannten „kontrollierten Bewegungen“ festgehalten wird, was bedeutet, dass das Gebäude verschlossen ist und die Gänge leer sind. Er beschreibt den Übungsplatz. An der Wand steht geschrieben: „Genieße die Grashalme unter deinen Füßen“, aber es gibt kein Gras, nur Beton. Es gibt nichts Grünes, nur Schichten von Drahtgewebe über seinem Kopf und Beton ringsum.

    Nach dieser extremen Isolation und dem Verlust menschlicher Gesellschaft freut er sich natürlich, Freunde zu sehen. Er knackt unnachgiebig, trifft mich auf halbem Weg, grinst über meine Witze, geduldig mit meiner Unbeholfenheit, nickt und ermutigt mich, mich an halb vergessene Nachrichten zu erinnern. Ich springe auf, um Proviant zu holen, damit er einen anderen Freund treffen kann. Dann merke ich, dass ich kein Geld habe, also gehe ich zurück zu ihnen. Als ich wieder zur Bildfläche zurückkehre, sagt eine Frau in einem Hijab: „Er gehört hier nicht hin. Er sollte nicht hier sein. Wir wissen von den Dingen über ihn. Er hat viele Anhänger in der muslimischen Gemeinschaft“. Dieses Gespür und die Solidarität helfen mir, mich nach der Tortur beim Betreten dieses kalten Ortes zu beruhigen. Auch hier gibt es Wärme, Freundschaft, Freundlichkeit. Ich bin dieser Frau so dankbar und komme mit einem Tablett Junk Food zurück, um zu berichten, was sie gerade gesagt hat. Das zeigt einmal mehr, dass viele Menschen die intensive Medienmanipulation durchschauen, unter der Julian ausgesetzt war. Dabei haben sie ein Gefühl für Menschlichkeit, gesunden Menschenverstand, Empathie und Mitgefühl, die sich durchgesetzt haben.

    Julian bekommt zwei soziale Besuche im Monat. Der letzte war dreieinhalb Wochen früher, so dass wir schnell sprechen und so viele Worte, Botschaften und Ideen wie möglich austauschen. Es gab nie ein Schweigen zwischen uns und, angetrieben nur mit Kaffee bis in die frühen Morgenstunden, haben wir oft gleichzeitig gesprochen und geantwortet. Doch der Lärm hier im Raum ist zu laut dafür. Er muss oft die Augen schließen um seine Gedanken zu sammeln. Dann ist Schluss mit der Zeit und wir sind uns darüber bewusst, dass sich die langsam bewegende Zeit im Gefängnis bei den sehr lauten Besuchen beschleunigt. Weitere dreißig Gefangene sehen ihre Freunde und Familie, Kleinkinder wollen gehört werden, und vermutlich strengen sich Mikrofone und Kameras mehr als ich an, um zu hören, was gesagt wird.

    Der UN-Experte für Folter, der ihn ebenfalls in Belmarsh besuchte, sagte, dass Julian die Auswirkungen einer anhaltenden psychologischen Folter aufweist. Er wurde in zeitlich unbestimmter Haft gefoltert und die Aussicht auf Auslieferung an die USA für einen Schauprozess, bei dem er mit 175 Jahren Gefängnis – einem effektiven Todesurteil – rechnen müsste, ist zweifellos auch eine Art der Folterung. Dennoch bin ich immer wieder erstaunt über die Momente, in denen er ihm das Wort abnimmt, Prinzipien und breitere Zusammenhängen seines Falles fordert: „Es geht nicht allein um mich, Flick, es geht um so viele Menschen, jeden Journalisten in Großbritannien. Wenn ich geschnappt werden kann, oder ein weiterer Australier, der in London arbeitet, jeder Journalist oder Verleger kann geschnappt werden, weil er einfach nur seine Arbeit macht“.

    Einige Wochen zuvor, bei einer Veranstaltung der Grünen in Sydney, verlor ich die Beherrschung in einem Podiumsgespräch mit jemandem, der ähnliches gesagt hatte: „Es geht nicht um Julian, es geht um Journalismus“. Ich spuckte zurück, „Nun, wann wird denn auch um Julian gehen? Wenn er tot ist? Wenn sie ihn getötet haben? Es kann sich um einen australischen Verleger handeln, der sich in einem britischen Gefängnis befindet und von den USA bestraft wird, weil er die Wahrheit über Kriege im Irak und in Afghanistan veröffentlicht hat?

    Es ist schwierig sich vorzustellen, selbst für neun Minuten lang, welche Entscheidungen in den letzten neun Jahren getroffen wurden. Die spontanen Entscheidungen, Besuche in einer Buchhandlung, Busreisen, Gartenarbeiten, eingepackte Geschenke – das sind jedoch alle diese Dinge, mit denen er sich nicht befassen kann, nur als eine ferne Erinnerung. Dies ändert das normale Gespräch mit Julian radikal. Nichts ist normal; Jeder Schritt des rechtlichen und politischen Prozesses in den letzten neun Jahren war anormal. Auch der Kontext und der Vorwand wurden durch eine Vielzahl von Strategien manipuliert, von denen einige durchgesickert sind, damit die Wahrnehmung seiner Person, seiner Arbeit und seinen Unterstützern infiziert und beeinflusst wird. Das ändert das normale Gespräch über ihn drastisch, sogar mit einigen meiner aufmerksamsten Freunde.

    Ich umarme einen viel dünneren Mann als den, den ich früher kannte und eine andere Person verschwindet im Flur, sobald der Besuch vorbei ist, obwohl unsere beiden linken Fäuste wie immer erhoben sind.

    Auf dem Heimweg nach dem Besuch kam ein Anruf, um darauf hinzuweisen, dass eine technische Anhörung unvermittelt auf den nächsten Tag vorverlegt wurde. Bei dieser „technischen Anhörung“ hat der Bezirksrichter eine Kaution vorzeitig ausgeschlossen. Aber es war keine Kautionsanhörung und Julians Anwälte hatten nicht einmal die Möglichkeit, eine Kaution zu beantragen. Der Richter hat dies ohne Anhörung von Argumenten oder Fakten ausgeschlossen. Auf die Frage des Richters, ob er verstanden hätte, sagte Julian: „Nicht wirklich. Ich bin sicher, die Anwälte werden das erklären“. Er verstand es nicht, weil dies wiederum unbegreiflicherweise unüblich war, aber auch, weil er keinen Zugang zu Gerichtsakten und Rechtsakten hat, um bei der Vorbereitung seines Falles zu helfen.

  2. Der Off-Guardian hat heute einen Bericht über den Fortgang des Verfahrens gegen Julian Assange von Dr. Binoy Kampmark veröffentlicht.
    Dr. Binoy Kampmark war ein Commonwealth-Stipendiat am Selwyn College in Cambridge. Er lehrt an der RMIT Universität, Melbourne.

    Ich habe seinen Bericht auf der Grundlage einer deepL – Übersetzung sinngemäß übersetzt.

    In Zeitnot
    Julian Assange vor dem Westminster Magistrates Court

    London.

    Ein weiterer Zeitabschnitt der Justizgeschichte, ein weiterer Punkt, der zu der traurigen Bilanz des Gerichtsverfahrens gegen Julian Assange hinzukommt. Der kränkelnde WikiLeaks-Gründer kam damit so gut zurecht, wie er eben konnte, was den Einfallsreichtum der Verzweifelten bei seiner Anhörung am Montag zeigte.

    Vor dem Westminster Magistrates Court sah sich Assange einem 12-minütigen Verfahren gegenüber, einer gewöhnlichen Angelegenheit, in der er gebeten wurde, seinen Namen zu bestätigen, ein anhaltend lächerlicher Zustand, und um Klarstellung über einen Aspekt seines Verfahrens gebeten wurde.

    Unmittelbar besorgt waren die Anwälte, insbesondere der erfahrene Menschenrechtsanwalt Gareth Peirce, über das Problem, dass die Gefängnisbeamten in Belmarsh das Anwaltsteam daran gehindert haben, genügend Zeit mit ihrem Mandanten zu verbringen, obwohl es leere Räume gibt.

    „Wir haben Belmarsh in jeder Hinsicht bedrängt – es ist eine Verletzung der Rechte eines Angeklagten.“

    Drei umfangreiche Unterlagen und Beweismittel mussten von Assange unterzeichnet werden, bevor sie der Staatsanwaltschaft vorgelegt werden konnten, was angesichts der zeitlichen Beschränkungen eindeutig unmöglich ist. (Er mußte sie vor der Unterzeichnung selbstverständlich selbst erst gründlich durchsehen, HJD)

    Ein weiteres Problem wurde von Peirce angeführt: Die Verschiebung der Verhandlung um einen Tag nach vorne führte zu einem Zeitverlust. „Dieser Schwund im Zeitplan ist äußerst besorgniserregend.“

    Ob dies Gleichgültigkeit gegenüber dem Protokoll oder Böswilligkeit seitens der Strafverfolgungsbehörden zeigt, ist schwer zu sagen, aber so oder so, die Gerechtigkeit wird gut gehäutet.

    Das Argument hatte bei der Bezirksrichterin Vanessa Baraitser genügend Gewicht, um zu einer Vertagung bis 14 Uhr am Nachmittag zu führen, aber das hatte mehr mit Logistik zu tun als mit einem Verfahrensprinzip.

    Wie Baraitser argumentierte, befanden sich derzeit 47 Personen in Untersuchungshaft; für die Befragung standen lediglich acht Räume zur Verfügung, so dass eine zusätzliche Stunde des Tages zur Verfügung stand.

    Wenn man sich gegen Assange versündigt habe, so habe man sich auch gegen alle anderen versündigt, da man anderen Inhaftierten den Zugang zu einem Anwalt nicht verwehren dürfe. (Diese Richterin hat einen Riecher für Gerechtigkeit, auch wenn sie ihn selektiv einsetzt).

    Wie es aussieht, strebt Peirce an, die Schriftsätze bis zum 18. Januar zur Vorlage bei der Staatsanwaltschaft fertigzustellen. Die Frist der Regierung für die Beantwortung dieser Dokumente wird der 7. Februar sein. Das Verfahren selbst wurde bis zum 23. Januar vertagt, und Assange wird die Wahl haben, so begrenzt sie auch ist, vor dem Westminster Magistrates Court oder in Belmarsh angehört zu werden.

    Unterstützer außerhalb des Gerichts waren ebenfalls der Meinung, dass Assange lächerlich wenig Zeit zur Verfügung steht.

    Die Rapperin M.I.A., die zeigte, dass die Unterstützung für den Herausgeber manchmal etwas sketchy ist, hat es geschafft, sich gegen den Staat zu stellen und gleichzeitig den Dank des Staates zu würdigen. (Soeben wurde bekannt gegeben, dass sie einen Orden (MBE) in der Geburtstagsehrenliste der Queen erhalten wird).

    „Ich denke, es ist wichtig, diesen Fall zu verfolgen. Ich werde morgen eine Medaille im Buckingham Palast erhalten und ich denke, dass der heutige Tag genauso wichtig ist. Jemandem (nur) eine Stunde zu geben, um seinen Fall zu bearbeiten, ist nicht ganz richtig. Assange-Anhänger würden ihrer Ansicht zustimmen, denn „ein Fall dieser Größenordnung, bei dem nur zwei Stunden zur Vorbereitung zur Verfügung stehen, ist an sich illegal“.

    Die Atmosphäre um das Verfahren hat sich in letzter Zeit verdichtet, und der WikiLeaks-Antrag über die Einmischung und Überwachung der CIA durch die spanische Firma Undercover Global S.L., während Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London war, ist einschneidend.

    Vor Weihnachten sagte er vor dem spanischen Richter Jose de la Mata aus, dass er nicht wusste, dass die von der Firma in der ecuadorianischen Botschaft installierten Kameras auch Audiodetails aufnahmen.

    Die allgemeineren Fragen der Redefreiheit beiseitelassend, wurde das Argument der Einmischung der CIA vorgebracht, welches sehr wohl eine bittere Pille für den von der Staatsanwaltschaft vorgebrachten Fall werden könnte.

    Das mag Wunschdenken sein, aber es ist eine Verteidigungsstrategie, die es wert ist, verfolgt zu werden. Das Rechtsteam von WikiLeaks ist sehr daran interessiert, diese im Februar während der Auslieferungsanhörung voranzutreiben.

    In der wohlüberlegten Ansicht von James C. Goodale, dem ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden und Chefsyndikus der New York Times, „Nachdem Sie El Pais‘ Serie gelesen haben, müssten Sie ein Dummkopf sein, um nicht zu glauben, dass die CIA nicht jeden Schritt von Assange in der ecuadorianischen Botschaft überwacht hat, einschließlich seiner Toilettengänge.

    Goodale nennt den Fall der Pentagon Papers als ein Beispiel, auf das sich die Verteidigung durchaus berufen kann.

    Daniel Ellsberg hatte geheime Pentagon-Berichte an die Washington Post und die New York Times durchsickern lassen. Das Büro seines Psychiaters war von Präsident Richard Nixons berüchtigten „Klempnern“, die von dem ehemaligen CIA-Agenten E. Howard Hunt geleitet wurden, aufgebrochen worden.

    Der gewissenhafte Analytiker war auch nach dem Spionagegesetz von 1917 angeklagt worden. Als der Prozessrichter darauf aufmerksam wurde, dass das Fehlverhalten der Regierung, einschließlich des Abfangens von Ellsbergs Telefongesprächen mit einem Regierungsbeamten durch das FBI, charakteristisch für die gesamten Bemühungen gegen den Informanten war, ist der Fall für alle Zeiten zu den Akten gelegt worden. Ellsbergs Behandlung habe „den Gerechtigkeitssinn beleidigt“ und „die Staatsanwaltschaft unheilbar infiziert“.

    Wie bei Assange war der Fußabdruck der CIA in Ellsbergs Fall keineswegs unbedeutend. Sie half bei dem schlecht organisierten Einbruch. Sie verfasste ein plumpes psychiatrisches Profil von Ellsberg und stellte ein vollständiges Identifizierungs-Ensemble für die Klempner zusammen: Sozialversicherungskarten, Verkleidungen, Führerscheine, Sprachwechselgeräte.

    Wie Goodale rhetorisch formuliert: „Kann etwas für den ‚Gerechtigkeitssinn‘ anstößiger sein, als eine unbegrenzte Überwachung, insbesondere von Anwalt-Mandanten-Gesprächen, die in einem Strafverfahren an die gegnerische Partei weitergegeben werden? Es bleibt den britischen Gerichten überlassen, zu prüfen, ob dieser Grad der Beleidigung im vorliegenden Fall erreicht wurde.

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