Das Wesen des Krieges aus Sicht eines preußischen Militärführers und was wir daraus lernen können


Unsere Untersuchung sei begonnen mit einem berühmten Zitat:

Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. [1]

Carl Philipp Gottfried von Clausewitz ist ein legendärer preußischer Militärführer und Militärhistoriker und wurde weltbekannt durch sein Buch „Vom Kriege„. In diesem Werk analysiert er auf politischer -, philosophischer – und psychologischer Ebene Ursachen und Wesen des Krieges und liefert dabei auch für unsere Gegenwart bemerkenswerte Erkenntnisse. Seine Theorien werden an Militärakademien gelehrt und haben selbst die Philosphie von Unternehmensführung und Propaganda beeinflusst – und sie bieten einen bemerkenswerten Einblick in die Psychologie empathiefreier, skrupelloser Machtmenschen.

Schon im ersten Kapitel des genannten Buches schreibt er:

„Der Krieg ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen.“ [2]

Das bestätigt die Annahme (des Autors), dass die Befürworter des Krieges in Kategorien der Macht denken und handeln, dass Krieg in seinem Wesen zutiefst destruktiv ist und niemals Grundlage für etwas dauerhaft Verbindendes und Kooperatives sein kann. Und so trägt jeder Krieg den nächsten Krieg bereits in sich – solange die Akteure außerstande sind, sich aus dem pathologischen Machtdenken zu befreien. Obwohl Clausewitz den Angriffskrieg nie befürwortete, war er ohne Zweifel (dabei dem Zeitgeist entsprechend) in seinem Denken diesem (zutiefst destruktivem) Machtdenken unterworfen.

Das ist um so mehr verständlich, als er doch sein Leben lang in den Strukturen des Militärs tätig war. Und weiterhin überrascht es nicht, dass er – als Gegner des Angriffskrieges – den Verteidigungskrieg befürwortete, diesen aber auch suchte zu verhindern, in dem er die Theorie über die Doktrin der Abschreckung entwickelte. Eine Doktrin die ihre Wurzeln in der biologischen Herkunft des Menschen, in der Tierwelt und dort im Machtgehabe von Individuen repräsentiert, um so dem physischen Konflikt aus dem Wege zu gehen. Dass Clausewitz hier Ansatzpunkte sieht, lässt sich auch über die folgenden Aussagen herleiten:

„Der Krieg ist nichts als ein erweiterter Zweikampf. Wollen wir uns die Unzahl der einzelnen Zweikämpfe, aus denen er besteht, als Einheit denken, so tun wir besser, uns zwei Ringende vorzustellen. Jeder sucht den anderen durch physische Gewalt zur Erfüllung seines Willens zu zwingen; sein nächster Zweck ist, den Gegner niederzuwerfen und dadurch zu jedem ferneren Widerstand unfähig zu machen.“ [3]

Ein Schattenboxen, so kann man sich die Doktrin der Abschreckung vorstellen, aber eines mit gefährlicher Note, denn wenn einer der beiden Akteure die Signale des Gegners falsch deutet, oder die Kontrahenten etwa gleich stark sind, dann wird die Gewalt dann doch ausbrechen. Denn in den Kategorien der Macht kann es tatsächlich nur EINEN an der Spitze geben. Dieses Verhalten hat sich bei bestimmten Tierarten als Erfolgsmodell herausgebildet, wäre es nicht so, gäbe es (im Sinne der Darwinschen Evolutionstheorie) diese Tierarten nicht mehr. Ist es also deshalb vielleicht auch ein Erfolgsmodell für die Gattung Mensch, denn schließlich stammt doch der Mensch von tierischen Vorfahren ab, oder?

Wie hervorragend Clausewitz das Wesen seiner Zeit erkannte – ohne allerdings Alternativen zu erkennen oder gar aufzuzeigen – und wie wenig sich an diesem Zeitgeist bis in unsere heutigen Tage verändert hat, beweisen seine hier zitierten Gedanken:

„Der Krieg […] ist auch seinen Gesamterscheinungen nach, in Beziehung auf die in ihm herrschenden Tendenzen […], zusammengesetzt aus der ursprünglichen Gewaltsamkeit seines Elementes, dem Hass und der Feindschaft, die wie ein blinder Naturtrieb anzusehen sind, aus dem Spiel der Wahrscheinlichkeiten und des Zufalls, die ihn zu einer freien Seelentätigkeit machen, und aus der untergeordneten Natur eines politischen Werkzeuges, wodurch er dem bloßen Verstande anheimfällt.“ [4]

Es sei auf den Artikel  Die Angst und der Krieg hingewiesen, der das Wesen des Krieges auf der psychologischen Ebene untersucht. „Die untergeordnete Natur eines politischen Werkzeuges, wodurch er dem bloßen Verstande anheimfällt“ sagt nichts anderes als dass der Krieg ein Werkzeug von Psychopathen ist, die ohne jede Empathie und unbedingt machtgetrieben, „mit dem bloßen Verstande“, ihre Ziele also skrupellos versuchen durchzusetzen. „Hass und [Feindschaft], die wie ein blinder Naturtrieb anzusehen sind“, das sind die ganz bewusst durch Manipulation geweckten, destruktiven Emotionen des Unterbewusstseins in den Köpfen der Ausführenden. Und weiterhin ist Clausewitz völlig klar, dass ein Krieg vorbereitet werden muss – militärisch und wirtschaftlich, vor allem aber in den Köpfen der Menschen, denn er führt fort:

„Die erste dieser drei Seiten ist mehr dem Volke, die zweite mehr dem Feldherrn und seinem Heer, die dritte mehr der Regierung zugewendet. Die Leidenschaften, welche im Kriege entbrennen sollen, müssen schon in den Völkern vorhanden sein; der Umfang, welchen das Spiel des Mutes und Talents im Reiche der Wahrscheinlichkeiten des Zufalls bekommen wird, hängt von der Eigentümlichkeit des Feldherrn und des Heeres ab, die politischen Zwecke aber gehören der Regierung allein an.“ [5]

Nicht bewusst wurde Clausewitz die Tatsache, dass das Militär keinesfalls eine (gewissermaßen) dritte Kraft, sondern schlichtes Werkzeug in der Hand von Psychopathen ist. Viel bemerkenswerter aber ist seine Erkenntnis: „Die Leidenschaften, welche im Kriege entbrennen sollen, müssen schon in den Völkern vorhanden sein“. Man sei sich bewusst, dass die Clausewitzschen Theorien bis heute gelehrt und angewendet werden und dass „die Leidenschaften, welche im Krieg entbrennen sollen“ über die Leitmedien dieser Tage in einem Maße geschürt werden, die Anlass zu größter Sorge geben müssen! Aber Clausewitz zeigt noch ganz andere erhellende wie bedrückende Erkenntnisse auf, die ihre Widerspiegelung in der Gegenwart finden.

Die Wege des Krieges

Als der Autor das nachfolgend Zitiertes las, dachte er unwillkürlich an die jahrzentelangen Tragödien im Nahen Osten, ganz besonders im Irak, in Syrien und auf dem Balkan :

„Außer diesen […] gibt es nun noch drei eigentümliche Wege [unmittelbare Kriegsziele], die unmittelbar darauf gerichtet sind, den Kraftaufwand des Gegners zu steigern. Der erste ist die Invasion, d. h. die Einnahme feindlicher Provinzen, nicht mit der Absicht sie zu behalten, sondern um Kriegssteuern darin zu erheben, oder sie gar zu verwüsten. Der unmittelbare Zweck ist hier weder die Eroberung des feindlichen Landes noch das Niederwerfen seiner Streitkraft, sondern bloß ganz allgemein der feindliche Schaden.“  [6]

Deutlicher kann man es eigentlich nicht zum Ausdruck bringen, die Menschenverachtung, die kalte gefühllose Logik der Macht, die in den Anstiftern des Krieges steckt. Das findet seit dem Jahre 2011 übrigens in Syrien und Libyen statt, eine gnadenlose Zerstörung gewachsener Strukturen, ein Ausbluten, menschlich, wirtschaftlich und kulturell, ein Exzess pathologischer Ausbrüche wie Hass und Gewalt. Folgen wir weiter den Gedanken von Clausewitz:

Der zweite Weg ist, unsere Unternehmungen vorzugsweise auf solche Gegenstände zu richten, die den feindlichen Schaden vergrößern. Es ist nichts leichter, als sich zwei verschiedene Richtungen unserer Streitkraft zu denken, davon die eine bei weitem den Vorzug verdient, wenn es darauf ankommt, den Feind niederzuwerfen, die andere aber, wenn vom Niederwerfen nicht die Rede ist und sein kann, einträglicher ist. Wie man zu sagen gewohnt ist, würde man die erste für die mehr militärische, die andere mehr für eine politische halten. Wenn man sich aber auf den höchsten Standpunkt stellt, so ist eine so militärisch wie die andere, und jede nur zweckmäßig, wenn sie zu den gegebenen Bedingungen paßt.“ [7]

Hier kommt einem der Bombenkrieg in Erinnerung, den die anglo-amerikanischen Luftflotten im Zweiten Weltkrieg gegen die Städte Hitler-Deutschlands führten, militärisch (bis auf Ausnahmen) völlig sinnlos, einzig mit dem Ziel maximaler Zerstörung, maximaler Auslöschung an Menschenleben, bis zum Kriegsende hin alle moralischen Bedenken fallen lassend. Und der Bombenkrieg der NATO gegen Serbien im Jahre 1999 wird wieder wach. Die gezielte Vernichtung der Infrastruktur Serbiens, die gezielte Bombardierung von Straßen, Brücken, Krankenhäusern, Schulen, Regierungs- und Verwaltungsgebäuden, von allem was für die Erhaltung eines Gemeinwesens notwendig ist. Der „Dritte Weg“ den Clausewitz sieht, hängt offensichtlich mit dem gerade zitierten „Zweiten Weg“ eng zusammen:

„Der dritte Weg, an Umfang der ihm zugehörigen Fälle bei weitem der wichtigste, ist das Ermüden des Gegners. Wir wählen diesen Ausdruck nicht bloß, um das Objekt mit einem Wort zu bezeichnen, sondern weil er die Sache ganz ausdrückt und nicht so bildlich ist, als es auf den ersten Blick scheint. In dem Begriff des Ermüdens bei einem Kampfe liegt eine durch die Dauer der Handlung nach und nach hervorgebrachte Erschöpfung der physischen Kräfte und des Willens. [8]

Und hier muss ich unweigerlich wieder an Syrien denken, wo ein Land, eine Gesellschaft systematisch zermürbt wird, bis es geradezu zwangsläufig auseinanderfallen muss. Die Psychopathen des Krieges, die westlichen Eliten aus Finanzen, Wirtschaft, Militär und Politik sind hier auf einem „guten Weg“. Das Leid was von ihnen aktiv und permanent vorangetrieben wird, sehen diese als flexible, erfolgreiche Strategie, um einen Gegner niederzuwerfen, der nicht gewillt ist, sich ihrem Machtanspruch unterzuordnen.

Die Dialektik des Krieges

Um die Dialektik des Krieges erfassen zu können, müssen wir uns zweier grundsätzlicher Aspekte bewusst werden. Krieg ist ein gesellschaftliches Phänomen – und gleichermaßen individuell. Krieg beginnt in den Köpfen der Menschen! Eine Philosophie der Macht, geboren aus der Psychologie von Machtbesessenen ist Voraussetzung, um Kriege führen zu können. Deshalb hier zuerst einige grundsätzliche Zusammenhänge in Bezug auf die Macht:

  • Machtdenken ist Ausdruck einer tief sitzenden Angst, die eigene Persönlichkeit zu verletzen, es verhindert Selbstreflektion und damit Selbstkritik und lehnt so die Verantwortung für das eigenen Handeln ab. Ein Psychopath (als Träger des Machtdenkens) kann somit jede Handlung vor sich selbst als positiv rechtfertigen.
  • Macht im Menschen unterdrückt damit (soweit vorhanden) seine Selbstempathie, und schlussfolgernd auch die Empathie für Andere.
  • Macht beinhaltet Angst vor Kontrollverlust (Psychose), ist absolut egoistisch und gleichermaßen grenzenlos.
  • Macht entwickelt Hierarchien (sprich gesellschaftliche Strukturen), in denen Menschen
    • sich Macht unterwerfen, wenn sie sich im Gefüge der Macht schwächer einschätzen als Andere
    • und gleichermaßen(!) Macht ausüben, ausleben, auskosten, wenn sie sich im Gefüge der Macht stärker einschätzen als Andere
  • Macht ist somit dialektisch, sie erfordert den Macht Ausübenden wie den sich der Macht Unterwerfenden.
  • Macht ist, einschließlich der in ihrem Denken geborenen Lösungen egoistisch, unreflektiert und damit wenig schöpferisch, eher – da die Komponente der Kooperation fehlt – destruktiv. Macht ist ein Gefühl, welches der Machtbewusste ausleben möchte, deshalb „giert“ er nach schnellen Lösungen, die ihm Befriedigung bringen.
  • Macht wird von seinen Protagonisten nur dann geteilt, wenn es aus taktischen Gründen erforderlich ist, diese Teilung von Macht beruht keinesfalls auf Empathie. Macht schließt Gleichberechtigung als echtes empathisch geteiltes Gefühl aus.
  • Macht möchte die Eigeninteressen (das Gewünschte Ausleben, Auskosten) um jeden Preis durchsetzen.
  • Um Menschen, die in ihrem Wesen keine Machtmenschen (Psychopathen) sind, im Sinne der Macht missbrauchen zu können, müssen diese für Machtgedanken empfänglich gemacht werden. Das geschieht – unter Ausnutzung menschlicher Schwächen (Egotismus) – mit dem Werkzeug der Manipulation.
  • Machtmenschen sind aufgrund ihrer mangelnden oder fehlenden Empathie besonders prädestiniert, andere Menschen zu manipulieren.
  • Krieg ist ein Mittel von Machtmenschen, um die egoistischen Ziele zu erreichen. Um Krieg führen zu können, müssen zuvor zwingend die (zu missbrauchenden) Menschen manipuliert werden.
Damit kommen wir zum Wesen und wechselwirkenden Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit dem Krieg:
  • Krieg hat seine Ursachen in machtbasierten Strukturen und unterdrückt Empathien.
  • Krieg wurde zuvor durch Manipulation in den Köpfen der Menschen akzeptabel gemacht, hierfür wurden in den Menschen permanente Angstgefühle entwickelt, welche wiederum Voraussetzung von Hass sind.
  • Mit einem dominierenden Hass (welcher permanent über das Unterbewusste genährt wird) werden potenzielle Partner zu Feinden. Es gelingt das Aufbauen von (in der Regel vielen) Feindbildern.
  • Krieg ist destruktiv und bietet einfache schnelle „Lösungen“ (Wer kennt nicht die schöpferisch gestaltete Sandburg, welche in Stunden mit Mühe wie Freude am Urlaubsstrand geschaffen wurde, um dann gedankenlos in Sekunden zerstört zu werden, einfach um den eigenen Egotismus auszuleben).
  • Krieg ist niemals im Sinne von Gesellschaften sondern bedient ausschließlich egoistische Interessen.
  • Und noch einmal: Krieg beginnt in unseren Köpfen!

Und Clausewitz äußert sich zudem (was durch das gerade Aufgeführte nur logisch ist), dass im Krieg Gewalt keine Grenzen kennt:

„… der Krieg ist ein Akt der Gewalt, und es gibt in der Anwendung derselben keine Grenzen; so gibt jeder dem anderen das Gesetz, es entsteht eine Wechselwirkung, die dem Begriff nach zum äußersten führen muß. Dies ist die erste Wechselwirkung und das erste Äußerste, worauf wir stoßen.“ [9]

Und er unterstreicht später noch einmal:

„Nun könnten menschenfreundliche Seelen sich leicht denken, es gebe ein künstliches Entwaffnen oder Niederwerfen des Gegners, ohne zuviel Wunden zu verursachen, und das sei die wahre Tendenz der Kriegskunst. Wie gut sich das auch ausnimmt, so muß man doch diesen Irrtum zerstören, denn in so gefährlichen Dingen, wie der Krieg eins ist, sind die Irrtümer, welche aus Gutmütigkeit entstehen, gerade die schlimmsten. Da der Gebrauch der physischen Gewalt in ihrem ganzen Umfange die Mitwirkung der Intelligenz auf keine Weise ausschließt, so muß der, welcher sich dieser Gewalt rücksichtslos, ohne Schonung des Blutes bedient, ein Übergewicht bekommen, wenn der Gegner es nicht tut. Dadurch gibt er dem anderen das Gesetz, und so steigern sich beide bis zum äußersten, ohne daß es andere Schranken gäbe als die der innewohnenden Gegengewichte.“ [10]

Das ist die bittere Logik eines Krieges, nämlich dass Stück für Stück jede Grenze selbstgesteckten moralischen Handelns eingerissen wird, wenn der Krieg erst einmal im Gange ist.

Um auf eine weiter oben selbst gestellte Frage zurück zu kommen, meine ich, dass Krieg keinesfalls ein Erfolgsmodell der menschlichen Gesellschaft und damit unabdingbar für ihr Überleben ist. Es ist ein Erfolgsmodell pathologischen Denkens und Handelns, begründet in den tierischen Wurzeln unseres Wesens, was uns zeigt, dass wir als Ganzes unseren tierischen Verhaltensweisen viel näher sind, als wir uns das selbst zugestehen wollen. Krieg hat sich – ganz im Gegenteil – durch das menschliche Elend, den Mangel, den er durch seine materiellen wie geistigen Zerstörungen allerortens hervor ruft, immer wieder selbst neu produziert. Ob wir den Krieg brauchen? Hier antworte ich gerne: Schaue jeder in sich selbst nach, ob er in der Lage ist, auftretende Konflikte friedlich, kooperativ zu lösen. Was also beschreibt den dialektischen Gegenpart des Krieges?

Die Dialektik des Friedens

Im vorherigen Kapitel führte ich aus, dass Machtdenken unbedingte Voraussetzung für das Ausführen von Kriegen ist. Auch Frieden ist nur möglich, wenn eine grundlegende Denkweise erfüllt ist – die der Übernahme von Verantwortung. Und ich möchte dazu gern noch einmal auf den folgenden Zusammenhang zwischen Macht und Verantwortung hinweisen:

Je größer die Macht, die ein Mensch übernimmt, desto kleiner seine Verantwortung und umgekehrt je größer die Verantwortung welche ein Mensch übernimmt, desto kleiner seine Macht.

  • Denken in Verantwortung ist Ausdruck von Selbstreflektion und einhergehender Selbstkritik. Menschen, die in der Lage sind, sich selbst zu reflektieren, sind sich ihrer Schwächen bewusst, ohne dabei der Angst vor Gefährdung oder gar Zerstörung des Selbstbildes zu erliegen.
  • Denken in Verantwortung ermöglicht es, (den Jedem innewohnenden) Egotismus zu überwinden. Solche Menschen besitzen Selbstempathie und damit auch Empathie für Andere.
  • Denken in Verantwortung sucht – aufgrund der Anerkennung seiner eigenen Fehlbarkeit und Begrenztheit – Kooperation.
  • Denken in Verantwortung erlaubt das Verzeihen der eigenen Fehler – und damit auch das ehrliche und innige Verzeihen der Fehler Anderer.
  • Denken in Verantwortung entwickelt Gemeinschaften Gleichgesinnter mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Die unterschiedlichen Fähigkeiten ergeben den Wert der Gemeinschaft, die Menschen sind sich ihrer vorhandenen Fähigkeiten gleichermaßen bewusst wie ihrer nicht Vorhandenen. Aufgrund ihrer frei von Egotismus fungierenden Einschätzungen organisieren sich diese Gemeinschaften mehr oder weniger selbst und ohne Weisungsstrukturen (Machtstrukturen).
  • Denken in Verantwortung erkennt Macht nicht an, Gradmesser des eigenen Tun´s ist das (auch eigene) kritische Hinterfragen. Verantwortliches Denken und Handeln ist dynamisch und besitzt niemals „der Weisheit letzter Schluss“.
  • Verantwortliches Denken ist im Sinne der Gemeinschaft, der Gesellschaft. Ein Mensch mit verantwortunsvollem (aus Empathie) gespeisten Denken hat ebenso wie ein Machtmensch Wünsche und Sehnsüchte, lebt diese aber – im Gegensatz zum Machtmenschen – eben nicht um jeden Preis aus. Empathische Menschen sind in der Lage, das Glück Anderer mit zu empfinden.
  • Menschen die in Verantwortung (kooperativ) denken, können trotzdem im Sinne der Ausübung von Macht manipuliert werden, wenn sie ihrem Egotismus unterliegen (fehlende Selbstreflektion). Dann steuert ihr pathologisch gesteuertes Unterbewusstsein das Denken und Handeln und diese Menschen beginnen entgegen ihrer ureigenen Ziele zu agieren.
  • Emphatische Menschen können der Manipulation (Vereinnahmung) entgehen, wenn sie sich kritisch und umfassend mit politischen Prozessen auseinandersetzen und sich außerdem der Mechanismen von Manipulation bewusst werden.

Erst mit den aktiv und in Empathie Handelnden wird Frieden als Wort auch wirklich begreifbar:

  • Frieden bedeutet echte, also ehrliche Partnerschaft unter Gleichberechtigten.
  • Frieden ist das dem Menschen innewohnende Ausleben seiner Empathien, seiner Sehnsucht nach dauerhafter Selbstverwirklichung, Erfüllung und Glück in sozialen Gemeinschaften.
  • Frieden bedeutet das Erkennen und nachfolgende Beherrschen durch Manipulation getriggerter pathologischer Ängste (Psychosen) – Ängste die Voraussetzung für Hass sind und die der natürlichen und für das Überleben unbedingt notwendigen Angst nicht gleichzusetzen sind!
  • Frieden ist konstruktiv wie kreativ und bietet die Möglichkeit, Lösungen für komplexe Herausforderungen im Sinne der Gemeinschaft zu entwickeln. Frieden beschreibt so gesehen auch „Die Mühen der Ebene“ und ist eine ständige Aufforderung zur Überwindung all zu großer Bequemlichkeit.
  • Frieden wird damit tagtäglich von den in Verantwortung denkenden Individuen der Gemeinschaft neu errungen und gepflegt.

Die Politik als Trägerin von Krieg und Frieden

Bezugnehmend auf das Eingangszitat soll Clausewitz auch dazu noch einmal ausführlicher zu Wort kommen:

„So sehen wir also, daß der Krieg nicht bloß ein politischer Akt, sondern ein wahres politisches Instrument ist, eine Fortsetzung des politischen Verkehrs, ein Durchführen desselben mit anderen Mitteln. Was dem Kriege nun noch eigentümlich bleibt, bezieht sich bloß auf die eigentümliche Natur seiner Mittel. Daß die Richtungen und Absichten der Politik mit diesen Mitteln nicht in Widerspruch treten, das kann die Kriegskunst im allgemeinen und der Feldherr in jedem einzelnen Falle fordern, und dieser Anspruch ist wahrlich nicht gering; aber wie stark er auch in einzelnen Fällen auf die politischen Absichten zurückwirkt, so muß dies doch immer nur als eine Modifikation derselben gedacht werden, denn die politische Absicht ist der Zweck, der Krieg ist das Mittel, und niemals kann das Mittel ohne Zweck gedacht werden. [11]

Der französische Philosoph Michel Foucault hielt die berühmte These von Clausewitz nicht mehr für stimmig und „drehte sie faktisch um“, in dem er fragte:

„Aber ist nicht auch die Politik der mit anderen Mitteln geführte Krieg?“ [12]

Aus meiner Sicht sind beide Thesen gültig. Foucault weist aber bemerkenswerter Weise darauf hin, dass es wirklich richtigen Frieden auch in (formalen) Friedenszeiten zu seiner Zeit nicht gab – ist das heute etwa anders? Clausewitz als auch Foucault erkannten nicht, dass der Krieg die Fortsetzung einer ganz bestimmten Politik beschreibt, also nicht jedweder Politik, sondern einer, die auf Machtstreben beruht – und das dies für die Umkehrung genau so zutrifft. Das muss uns leider auch zu der Annahme führen, dass die aktuelle Poltik, da sie ja eben in Kategorien der Macht denkt, in sich die Saat des Krieges immer mitführt, so also die latente Gefahr besteht, dass der Frieden nur ein vorübergehender ist, wie seit tausenden von Jahren.

Die Menschheit hat es bis heute nicht geschafft, eine Ethik des Miteinanders und der Gleichberechtigung zum stabilen Allgemeingut zu machen, die eine Politik der wirklichen Verständigung, des wahrhaften Ausgleiches prägen könnte und die Empathie zum festen Bestandteil ihrer Prinzipien macht, was Kriege als Politikmittel unakzeptabel werden ließe. Dass wir davon noch immer weit entfernt sind, ist sowohl eine gesellschaftliche wie auch individuelle Tatsache und in ihrer Tragweite ernüchternd.

Den Begriff des Krieges zudem nur auf die totale Eskalation mittels militärischer Gewalt einzuschränken, verkleistert uns den Blick für die wenig erfreuliche Tatsache, dass in unserer Gesellschaft auf allen Ebenen Krieg als akzeptable Methode der Interessendurchsetzung praktiziert wird. So geht einem „echten“ Krieg regelmäßig ein Handelskrieg voraus, begleitet von einem „Krieg der Worte“, Kriege werden also zuerst auf wirtschaftlicher und medialer Ebene geführt, ein Kriegsklima wird geschaffen. Diese Art von Krieg wird heute aktiv von der Politik wie von den Medien vorangetrieben, ein schwelender Krieg, der nur den richtigen Katalysator benötigt, um offen auszubrechen. Ein Krieg aber auch, dem – hätten die Verantwortlichen den Mut, sich den Ideologien der Macht zu entziehen – jederzeit die Basis entzogen werden könnte. Das wäre gleichbedeutend mit der echten Anerkennung der Verantwortung für das eigene Tun.

Politik im Kleinen

Allerdings muss dafür auch der Traum des „einfachen Menschen“ ein Ende finden, dass einfach nur die Politiker oder Medienschaffenden „ihre Hausaufgaben“ machen müssten, damit der Frieden gesichert wäre. In Kategorien der Macht denken wir bis heute mehr oder weniger auch im täglichen Leben. Wir herrschen und lassen uns beherrschen, nicht nur in Lebenslagen (dass es die gibt, ist unbestritten), in denen man sich einer machtbasierten Gesellschaft nur schwer entziehen kann.

Wer z.B. eine Karriere anstrebt, wer vom „Aufstieg“ träumt, der hat die Philosphie der Macht schon in sich eingesogen. Er wird sich von den Menschen, die ihm lieb sind entfernen. Sein Sinnen und Trachten wird sich dem gesellschaftlichen Aufstieg unterordnen, seine Ziele werden Statussymbole – quasi Fetische – sein und seine Empathie wird zunehmend verkümmern. Und so wird er auch fähig sein, für seine Karriere, anderen Menschen zu schaden. Ein Leben nach dem „Geiz ist geil“-Prinzip zeigt eine ebenso verschüttete Empathie und gefangen in solch einer zweifelhaften Philosophie wird man für Argumente des Krieges (Schuld sind die Anderen) immer sehr empfänglich sein.

Die Empörung über die vermeintliche Verkommenheit Anderer ist ein willkommenes Regulativ, sich nicht mit den Folgen eigenen Handelns beschäftigen zu müssen. Das wissen bestimmte Eliten und nicht umsonst schüren sie deshalb über die Medien solche Instinkte. In der Sprache der Medien ist das bewusst oder unbewusst tief verankert und äußert sich nicht nur bei politischen Themen, sondern auch in Sport und Kultur. Und wie schön kann man doch am Stammtisch über das Versagen der Mitmenschen herziehen, vor allem von Sportlern, Politikern, Medien- und Kulturschaffenden. So kann man sich mit zweifelhaften Begründungen über Andere stellen, Hauptsache man muss sich nicht ernsthaft mit den eigenen Fehlern beschäftigen.

Und genauso zeigt sich beim Umgang mit Schwächeren der Gesellschaft, in wie weit deren Mitglieder „kriegsbereit“ sind. Wer seinem Ego zuliebe Kinder „zu etwas Besserem erziehen“ will, tut nichts anderes, als sie mit Zwang (als Machtausübender) nach seinem Bilde zu formen, eine besondere Art der Gewalt – angewendet gegenüber besonders Schwachen und Hilfebedürtigen. Er denkt in Hierarchien der Macht, will sich eigenes „Versagen“ nicht zugestehen und kanalisiert den Misserfolg weg von sich, z.B. zu Kindern. Gerade im Umgang mit Kindern zeigt sich, ob ein Mensch dem Machtdenken verfallen ist. Weitere Beispiele möge jeder für sich selbst suchen. Es ist die große zu pflegende Kunst des wirklichen Mitfühlens, die uns wegbringt vom Machtdenken, dem sich über andere stellen, der damit verbundenen Arroganz.

Übrigens: Eine sehr interessante, ja geradezu provokante These die Clausewitz in seiner Abhandlung aufstellt ist die, dass ein Krieg erst mit der Verteidigung des Angegriffenen beginne. Ohne Verteidigung würde es nicht zu bewaffneten Kämpfen kommen. Kann man das mit Unterwerfung gleichsetzen? Es soll dem Leser überlassen werden, Schlussfolgerungen aus dieser These zu ziehen. 

Bleiben Sie bitte schön aufmerksam.


Anmerkungen und Quellen

(Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden. Letzte Aktualisierung: 30.4.2019.

[1-10] Vom Kriege. Hinterlassenes Werk des Generals Carl von Clausewitz, Bd. 1–3, bei Ferdinand Dümmler, Berlin 1832–1834 (hrsg. von Marie von Clausewitz), Online-Ausgabe: http://www.clausewitz.com/readings/VomKriege1832/TOC.htm#TOC

[11] Gut Zitiert; http://www.gutzitiert.de

[12] Foucault: Diskursanalyse der Politik: Eine Einführung; Brigitte KerchnerSilke Schneider; Springer-Verlag, 26.10.2007 – 364 Seiten

[Allgemein] Dr. Andrzej M. Łobaczewski, Politische Ponerologie, 1984

Von Ped

3 Gedanken zu „Vom Kriege – Nach Clausewitz“
  1. „Eine Doktrin die ihre Wurzeln in der biologischen Herkunft des Menschen, in der Tierwelt und dort im Machtgehabe von Individuen repräsentiert, um so dem physischen Konflikt aus dem Wege zu gehen.“
    In der Tierwelt enden Machtkämpfe zwischen Artgenossen selten tödlich,
    z.B. Wölfe haben eine Beißhemmung, wenn der Unterlegene dem Sieger die Kehle zum tödlichen Biss bietet.
    Ich hatte zufällg einmal die Gelegenheit. dem Revierkampf zweier Hirsche zuzuschauen:
    Die Hirsche gingen in Stellung, etwa 4 Körperlängen auseinander; sahen sich an; senkten gleichzeitig den Kopf, sodass das Geweih nach vorne zeigte; starteten gleichzeitig und rannten aufeinander los; knallten ‚Peng‘ mit den Geweihen aufeinander; hielten kurz inne und hakten dann vorsichtig ihre Geweihe auseinander; entfernten sich im Rückwärtsgang wieder auf den richtigen Abstand; sahen sich an; senkten gleichzeitig den Kopf…. bis einem nach dem Zusammenprall die
    Vorderläufe einknickten; der Sieger hakte vorsichtig sein Geweih aus, stand ruhig da und sah auf den Verlierer herab; nach kurzer Benommenheit rappelte sich der Verlierer auf und trabte davon; der Sieger blieb ruhig stehen und sah dem Verlierer nach. Ein Ritterduell könnte nicht fairer ablaufen.
    Besonderd beeindruckend war, wie vorsichtig die Hirsche ihre Geweihe enthakten – klar, ein geknicktes Geweih macht einen Hirsch schutzlos gegen Wolf&Co..
    Wahrscheinlich hat auch der Mensch eine Tötungshemmung, aber durch Gehirnwäsche in Form von Propaganda und Drill lässt sich die ausschalten – leider. Bei Waffen, die auf Entfernung wirken, wird die Tötungshemmung möglicherweise gar nicht eingeschaltet.
    Meinen staatsbürgerlichen Militärdienst habe ich genutzt, um das Verhalten meiner Kameraden zu
    beobachten. Mein Schlussbefund: der Durchnittsmensch hat zuwenig Widerstandskraft; wenn mensch keine Kriege will, dann braucht es ein Gesellschafts- und Wirtschafts-System, das den Menschen Kriege verunmöglicht.
    Ein Vorschlag dazu ist auf
    http://www.members.aon.at/goedheinz/GOD_Deutsch/Zukunft/2069Buch/2069D_17.html
    (Suchbegriff: Krieg )
    Ob’s ausreicht ?
    Schwer zu sagen, aber es ist zumindest mal eine Idee.

    1. @Heinz

      Die Hirsche handeln vernünftiger als menschliche Psychopathen, ist man geneigt zu schlussfolgern, wenn man Dein anschaulich beschriebenes Beispiel rekapituliert. Die Hirsche betreiben Machtkampf im Sinne der Erhaltung der Art, ein Psychopath tut es aus reinem Lustgewinn.

      Das heißt, dass das soziopathische Handeln in unseren Gesellschaften nicht einmal so recht mit Parallelen aus der Tierwelt begründet werden kann. Der Eindruck drängt sich wirklich auf, dass die Menschheit sich einen Entwicklungsdefekt zugelegt hat, über den sie gerade dabei ist, sich nachhaltig ihrer Zukunft zu berauben.

      Wie kommt zuallererst menschliches Denken aus seiner Sackgasse heraus? Wie kann in großem Maßstab der Teufelskreis aus Egotismus und Bequemlichkeit durchbrochen werden? All die großen Lösungen – mit Hingabe und Ernsthaftigkeit von klugen Menschen entworfen – können mich nicht so recht glücklich machen.

      Ein Beispiel nur: Auch in der neuen Woche werden Deutschlands Supermärkte voll sein. Systeme, die den Menschen ihre Freiheit rauben, werden von den Opfern gern besucht…

      Viele Grüße von Ped

      1. @ped

        „Die Hirsche betreiben Machtkampf im Sinne der Erhaltung der Art, ein Psychopath tut es aus reinem Lustgewinn.“
        Ich bin kein Biologe, war aber, sobald ich richtig laufen konnte, schon viel in Wald und Flur, mit anderen Kindern und allein. Der Machtkampf der meisten Tiere ist wahrscheinlich ein Kampf ums Revier(=Lebensraum) oder Weibchen(=Fortpflanzung).
        Manche menschliche Verhaltensweisen stammen möglicherweise aus dem Tierreich.
        Es gibt ein Buch von Frans de Waal mit dem Titel „Wilde Diplomaten“, darin beschreibt er das Artverhalten von Menschenaffen, also unseren nächsten Verwandten im Tierreich, stark verkürzt:
        Schimpanse: bildet Horden mit komplizierter Hierarchie
        (Hierarchie – das bedingt einerseits Streben nach Macht
        und andererseits Unterordnung unter den Mächtigeren)
        Bonobo: bildet Horden mit komplizierter Hierarchie,
        setzt Sex zur Friedensstiftung ein
        Gorilla: 1 Männchen mit Harem
        Orang-Utan: Einzelgänger
        Diese Tiere kenne ich nur aus Zoo und Filmen.
        Im Vergleich mit Menschen ist mir aufgefallen, dass die meisten Menschen Bewegungsmuster und Verhaltensmuster der Schimpansen haben, einige solche des Gorillas und einige solche des Orang-Utan.
        Der biologische Unterbau des Menschen ist also möglicherweise unterschiedlich,
        die Menschen unterscheiden sich auch im Körperbau untereinander mehr als die Tiere, von leptosom über pyknisch bis athletisch – bei Tieren derselben Art sind mir solch starke Unterschiede im Körperbau nicht aufgefallen – habs aber nicht wissenschaftlich untersucht 🙂 , wie z.B. hier
        https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6rperbautyp
        Vielleicht sind Menschen, die wir als Psychopathen wahrnehmen, gar nicht wirklich krank, sondern nur eine mögliche – allerdings gefährliche – Ausformung des Menschen.

        „Der Eindruck drängt sich wirklich auf, dass die Menschheit sich einen Entwicklungsdefekt zugelegt hat, über den sie gerade dabei ist, sich nachhaltig ihrer Zukunft zu berauben.“
        Der Mensch unterscheidet sich vom Tier vor allem durch ein bildsameres Gehirn.
        Möglich, dass dies ein Entwicklungsdefekt ist. Ich glaube, dass unsere Fehlentwicklung andere Gründe hat.
        JungTiere lernen von ihren Eltern durch Abschauen und Nachahmen.
        Jungmenschen werden von Eltern, Lehrern, .. erzogen, d.h. in eine bestimmte Richtung gezogen.
        ‚Der Apfel fällt nicht weit vom Birnbaum‘ pflegte mein Vater zu lästern (richtig ‚Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm‘). Wenn eine Gesellschaft mal auf dem falschen Weg ist, dann wird sie diesen nur schwer wieder los.
        Meiner Meinung nach haben wir ein paar Sachen eingeführt, die kurzfristig vorteilhaft waren, die sich aber auf lange Sicht als schädlich erweisen:
        1.) Die Erfindung des Geldes:
        In Gesellschaften ohne Geld sind die Menschen mehr oder minder auf freiwillige Zusammenarbeit angewiesen, z.B. beim Bau von größeren Häusern, Stadtmauern … .Freiwillige Zusammenarbeit wird nur dann gedeihlich, wenn mensch sich in den anderen hineindenkt und sich dementsprechend benimmt – ein Nachbar, den ich nicht achte, wird mir wahrscheinlich nicht helfen. Auch beim Tausch Ware gegen Ware will man keinen Gegenstand von einem Menschen, der einen gedemütigt hat.
        Gesellschaften ohne Geld haben auch ihre Macken, aber auch dort werden diese durch Erziehung weitergegeben und verfestigt. Ein einziger psychopatischer Priester mit ausreichender Macht genügt, um einen idiotischen Brauch unters Volk zu bringen, z.B.die Genitalverstümmelung von Frauen, und durch Erziehung hält sich dieser Schwachsinn bis …
        Mit Einführung des Geldes konnte mensch Waren und Arbeit kaufen. Solange die Menschen noch ausreichend Boden besaßen, um davon leben zu können, somit also auf Geld nicht angewiesen waren, mussten die Menschen ihren Mitmenschen noch halbwegs freundlich begegnen. Sobald es landlose Menschen gab, die nur mittels Geld überleben konnten, brauchte mensch denen nicht mehr freundlich entgegentreten. Wir heute haben diesen Zustand auf die Spitze getrieben. Aus Freundlichkeit haben wir Höflichkeit gemacht – Goethe sagte dazu treffend: in Höflichkeit mag zwar nichts drin sein, aber sie mildert die Stöße des Lebens.
        Da der Mitmensch für das eigene Überleben nicht mehr wichtig erscheint, wird er auch nicht mehr sonderlich beachtet und mensch zieht sich mehr auf sich zurück, als ihm gut tut (=Egotismus).
        Wie sich Geld auf das Wirtschaftssystem auswirkt, das ist ein eigenes Kapitel.
        2.) KleinFamilie als gesellschaftliche Standardform:
        Die Eltern prägen den Menschen und bestimmen den Werdegang eines Menschen maßgeblich.
        Mir ist auch kein Tier bekannt, das bis über die Geschlechtsreife unter der Vormundschaft der Eltern leben muss. Der Ödipuskomplex ist meiner persönlichen Erfahrung nach sehr wirklich und Hoevels könnte die Auswirkungen des Ödipuskomplexes, die er in „Der Ödipuskomplex und seine politischen Folgen“ beschreibt, durchaus richtig sehen.
        Sigmund Freud sprach von ‚Neurosenküche Familie‘.

        „Wie kommt zuallererst menschliches Denken aus seiner Sackgasse heraus? Wie kann in großem Maßstab der Teufelskreis aus Egotismus und Bequemlichkeit durchbrochen werden?“
        Da gibt es 2 Möglichkeiten: entweder die Menschheit rafft sich selber auf oder die Evolution(=Gott???) erledigt es.
        Egotismus und Bequemlichkeit sind keine biologische Fehlentwicklung, sondern m.E. die Folge eines fehlentwickelten Gesellschafts- und Wirtschafts-Systems. Beides haben die Menschen schon mehrmals verändert – warum sollten sie es nicht nochmals verändern ?
        Ideen dazu gibt es ja bereits eine Menge – und wenn die Zeit reif ist für eine Idee, dann setzt sie sich auch durch, das lehrt die Erfahrung.

        „All die großen Lösungen – mit Hingabe und Ernsthaftigkeit von klugen Menschen entworfen – können mich nicht so recht glücklich machen.“
        Das ist vollkommen natürlich.
        Wir leben in einer Umbruchs-Zeit.
        Das Altgewohnte franst aus und wird brüchig, das Neue ist noch unerprobt – und könnte schiefgehen.
        Das naturgemäß kein Zustand zum Glücklich-sein.
        Wir hatten 70 Jahre Frieden und Überfluss auf Kosten Anderer. Da ist es nur gerecht, wenn wir jetzt mal kurzfristig Feuer unterm Hintern haben – hoffentlich ziehen wir daraus die richtigen Lehren.

        „Ein Beispiel nur: Auch in der neuen Woche werden Deutschlands Supermärkte voll sein. Systeme, die den Menschen ihre Freiheit rauben, werden von den Opfern gern besucht…“
        Ja. Erziehung – Werbung ist ein Teil davon – wirkt eben todsicher.

        Freundliche Grüße
        HG

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