Die extrem selektive Berichterstattung täuscht eine Ruhe in Syrien vor, die es nicht gibt.


Von Ruhe im Sinne eines in umfassenden Frieden und seine vollständige Souveränität zurückgekehrten Landes kann im Falle Syriens nach wie vor nicht die Rede sein. Diverse islamistische Milizen bis hin zu Besatzungstruppen des „Wertewestens“, so wie noch immer wirksame, weitreichende politische und wirtschaftliche Sanktionen gegen Syrien verhindern die Rückkehr in die Normalität für das Land und brechen unverändert das Völkerrecht.


Bevor wir uns dem Geschehen in der syrischen Provinz Idlib widmen, beginnen wir diese Zusammenfassung syrischer Ereignisse im November 2018 mit denen im Osten und Südosten des Landes.

Terroristen-Pflege in Ostsyrien

Wenn wir von einem Terroristen-Refugium in Idlib sprechen, passt dazu der Begriff Terroristen-Park in Ostsyrien. Die Gebiete des letzteren sind größer, die Grenzen fließend.

Im Spätsommer 2017 hatten die von den USA ausgerüsteten und aus der Luft beschützten, wie am Boden beratenen Milizen der sogenannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) mit bemerkenswerter Leichtigkeit riesige, bis zu diesem Zeitpunkt vom Islamischen Staat kontrollierte Gebiete, „erobern“ können. „Rein zufällig“ wurde dadurch die syrische Armee daran gehindert, die Souveränität über die Gebiete östlich des Euphrat zurückzuerlangen.

Die von den Kurden geprägte SDF wird in Ostsyrien — wo sie keinerlei soziale Basis hat — von Beginn an als Besatzertruppe angesehen (1). Ausgerüstet und geführt von den Militärs der USA ist sie das auch. Nach den katastrophalen Dürrejahren in Ostsyrien (2008 bis 2010) und den dramatischen wirtschaftlichen Verwerfungen, die durch den neoliberalen Kurs der Assad-Regierung — getrieben durch Vorgaben der EU im Rahmen eines Assoziierungsabkommens — nochmals verschärft wurden, erfuhren radikale Islamisten in dieser Gegend mehr Unterstützung aus der Bevölkerung als anderswo in Syrien.

Die arabischen Stammesführer aber — da kann man sich sicher sein — werden sich mit der Präsenz der Kurden in ihren angestammten Gebieten niemals abfinden.

Die Instabilität wird von den westlichen Mächten nach wie vor ausgenutzt, um die Wiederherstellung der Souveränität Syriens auch in Ostsyrien zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Quellen aus dem irakisch-syrischen Grenzgebiet berichteten zum wiederholten Male, dass US-Hubschrauber Ausrüstung und Versorgungsgüter über IS-kontrollierten Gebieten „verloren haben“ (2).

Die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa hat den USA diesbezüglich einmal mehr vorgeworfen, unter dem Vorwand des Kampfes gegen den IS, Militante aller Schattierungen im widerrechtlich von diesen besetzten Gebiet von al-Tanf zu trainieren und zu bewaffnen (3). Abgesehen vom Leid der Bewohner des in al-Tanf liegenden Flüchtlingslagers al-Rukban ist dieses Gebiet damit ein ständiger Unruheherd und versorgt die in der Wüste operierenden IS-Milizen südöstlich von Palmyra und östlich von al-Suweida mit Waffen, Munition, Lebensnotwendigem und frischen Kämpfern.

Zudem verhindert das besetzte al-Tanf damit eine sichere Verbindung zwischen Damaskus und dem Irak. Sehr „passend“ dazu ist die auffallende Präsenz des IS östlich al-Bukamals, im Länderdreieck Syrien-Irak-Jordanien liegend, zu bewerten. Die Vertreibung dieser Milizen durch die syrische Armee wird nach wie vor durch eine illegale rote Linie — gezogen von Inherent Resolve — hintertrieben.

Es passt wie die Faust aufs Auge, dass der Islamische Staat in jüngster Zeit vermehrt Positionen im von Inherent Resolve kontrollierten Gebiet im östlichen Euphrat-Tal und den Gebieten hin zur irakischen Grenze zurückgewinnt. Es passt ebenso, dass die Islamisten massenweise modernes Kriegsmaterial erbeuten, von Panzerabwehrwaffen wie RPGs bis hin zu Humvees (4). Dies allein mit dem Fanatismus des IS erklären zu wollen, ist Augenwischerei. All ihre Operation haben diese Militanten bei sehr schlechten Wetterbedingungen erfolgreich durchgeführt. Es gibt mit Sicherheit mehrere sorgfältig gepflegte Lecks bei Inherent Resolve, die dem IS immer wieder zu gegebener Zeit entscheidende Aufklärungsdaten zur Verfügung stellen.

Munter bombte derweil die „Koalition gegen den Terror“ auch im November in der Provinz Deir ez-Zor weiter und tötete dutzende Zivilisten (5), aber auch die eigenen Verbündeten (6). Es sind die Gleichen, welche Mossul und Raqqa zu Steinwüsten machten und nun scheinheilig vor einer „neuen humanitären Katastrophe“ in Idlib warnen.

Deshalb hatte auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow kurz darauf gute Gründe, Washington einer „verdeckten Agenda“ in Syrien zu beschuldigen. Nach seinen Worten organisieren die USA die Überlebensfähigkeit des Islamischen Staates, um zum Einen die völkerrechtswidrige Präsenz ihrer Militärs zu rechtfertigen und zum Anderen permanent Milizen hochzurüsten, die für die Destabilisierung Syriens missbraucht werden können. Er betonte erneut, dass sich die entscheidenden Rückzugsgebiete des IS in von den US-Militärs kontrollierten Gebieten befinden (7).

Die „Friedensmissionen“ westlicher Staaten benötigen — im Sinne der dem Medienkonsumenten erzählten Geschichte — zwingend „böse Terroristen“, die es im Interesse der gesamten „guten“ Menschheit zu bekämpfen gilt. Sind die „bösen Terroristen“ weg, ist auch das gerade beschriebene Narrativ am Ende und die „Friedensmission“ ist beendet.

Wenn „Friedensmissionen“ allerdings nur das Feigenblatt für machtgetriebene Interventionen sind, dann darf Eines nicht passieren: Die „bösen Terroristen“ dürfen niemals verschwinden — und genau deshalb sind die „bösen Terroristen“ ja auch noch da!

In dieser Hinsicht ist westliche Politik sehr pragmatisch — natürlich ohne das groß in den Medien herumzuposaunen. Der — aus meiner Sicht — „noch so ziemlich beste US-Präsident“, Franklin D. Roosevelt, sagte einmal zum Thema der selbst gehegten Ganoven, hier im Falle des damaligen nikaraguanischen Diktators Anastasio Somoza:

„Er ist ein Hurensohn, aber er ist unser Hurensohn.“ (8)

So läuft das auch in Syrien bei der Durchsetzung US-amerikanischer Interessen. Dort sind es die wahhabitischen Gotteskrieger des Islamischen Staates und die nützlichen Idioten der SDF.

Syrien und der Irak kooperieren übrigens seit Längerem im Kampf gegen den IS. So haben in gemeinsamer Abstimmung irakische Kampfflugzeuge Mitte November 2018 Stellungen der Islamisten in Syrien bombardiert (9).

Entscheidend aber für die Wiederherstellung der vollständigen Souveränität im Osten und Norden des Landes ist die vorherige Auflösung des Terroristen-Refugiums Idlib.

Herausforderungen im Land

In dem durch den Krieg und die Wirtschaftssanktionen des Westens in weiten Landstrichen große Bevölkerungsschichten dramatisch verarmten, entstanden Voraussetzungen für eine nicht so einfach auszutrocknende Schattenwirtschaft, die vom Krieg profitiert. Dazu gehört in erster Linie der Schmuggel von Gütern des täglichen Bedarfs aber eben auch von Drogen und militärischen Gütern. Die so entstandenen Strukturen sind zählebig und für Syriens Gesellschaft sehr gefährlich.

So starteten syrische Geheimdienste im Osten von Damaskus eine großangelegte Operation, bei der mehrere führende Mitglieder der früheren sogenannten Freien Syrischen Armee (FSA) festgenommen wurden. Dabei hoben die Einsatzkräfte mehrere Lager mit Unmengen an Waffen und Kommunikationstechnik aus (10). Die in Massen in das Land geschwemmten Waffen sicher zu stellen (11), ist eine wahrhaft herkulische Aufgabe für die syrische Gesellschaft.

Internationale Anerkennung

Zur Konzeption des Sturzes der syrischen Regierung unter Baschar al-Assad gehörte von Anfang an das Bestreben, sie diplomatisch weltweit zu isolieren und zu delegitimieren. Die Vereinten Nationen spielten dabei eine besonders fragwürdige Rolle. Was damit in Libyen noch vollständig umgesetzt werden konnte, funktionierte in Syrien nur partiell und verliert nun zusehends an Wirksamkeit.

Außenpolitisch wird Syrien durch eine veränderte Haltung der arabischen Staaten zunehmend gestärkt. Ägypten und Algerien unterstützen die Regierung in Damaskus schon seit längerem wirtschaftlich wie militärisch und machen das seit jüngerer Zeit auch öffentlich. Andere Staaten wie Jordanien, Kuweit, Bahrein und die Vereinigten Arabischen Emirate haben verstärkt Kontakte zur syrischen Regierung aufgenommen und streben die Wiederherstellung diplomatischer Beziehungen an. Dahinter steckt auch die Sorge eines weiteren Machtzuwachses für die Türkei, wenn Syrien dauerhaft geschwächt wird (12).

Selbst der saudische Kronzprinz hat sich — hinter verschlossenen Türen — für eine Anerkennung des Sieges der Assad-Regierung im Syrien-Konflikt ausgesprochen (!) (13).

Aber auch hochrangige Politiker europäischer Staaten suchen inzwischen den Kontakt mit Damaskus, was der Besuch einer polnischen Regierungsdelegation in Syrien — geleitet von Ministerpräsident Pawel Skotisky — unterstreicht (14).

Idlib — Symbol eines fehlgeschlagenen Projekts

Seit Frühjahr 2018 — als klar zu erkennen war, dass sich die Dschihadisten in Westsyrien auf der Verliererstraße befinden — hatten Vertreter Großbritanniens und Frankreichs wiederholt ihre „Sorge“ in Bezug auf eine Niederschlagung dieser Gruppierungen in Idlib geäußert (15).

Erinnern wir uns an die Geschehnisse im September 2018: In altbewährter Manier wurden von Politik und Massenmedien westlicher Staaten „Warnungen“ an die Assad-Regierung ausgesprochen, „erneut chemische Waffen gegen das eigene Volk einzusetzen“. Andernfalls würde man militärisch intervenieren. Selbst die deutsche Regierung brachte es fertig, die deutsche Armee für den Fall einer Intervention, den Kriegstreibern der USA, GB und Frankreichs „anzubieten”.

Das sind Verlautbarungen von Verschwörern, die eine Agenda umzusetzen haben, deren wahre Hintergründe den Mitläufern (also uns) nicht bewusst werden sollen. Zur Not „organisiert“ man das Verbrechen auch selbst (16). Natürlich haben Syrien und auch Russland diese Drohungen verstanden. Ihrer lügenden Hülle entledigt, lassen sie sich nämlich so wiedergeben:

„Wenn ihr unsere Strukturen in Idlib angreift, die also, die mit unserem Geld, mit unseren Geheimdiensten, mit unserer Politik über Jahre aufgebaut wurden; wenn ihr euch also an unserer neuen ‚Zivilgesellschaft‘, die auch weiterhin von uns gesteuert werden möchte, vergeht, dann werden wir euch angreifen.

Dass die politische Macht in Idlib von islamistischen Extremisten, von Dschihadisten, die mit Demokratie rein gar nichts am Hut haben, ausgeübt wird, ist dabei nicht relevant. Die in Idlib aufgebaute Parallelgesellschaft ist der letzte wirklich schwere Anker, den die „Freunde Syriens“ in Syrien gesetzt haben. Geht der verloren, ist das Projekt des Neuen Nahen Ostens — zumindest in diesem Land — endgültig gescheitert.

Das wird er aber: Dieser Anker wird verloren gehen.

Die westliche Politik geht beim Umgang mit Idlib keinesfalls einen einheitlichen Weg. Jene Kräfte, welche die Syrien-Agenda ins Leben riefen, sind geschwächt aber nichtdestotrotz nach wie vor sehr einflussreich. Mit ihrem Druck zwangen sie die neue US-amerikanische Administration wiederholt dazu, die militärische Karte zu ziehen, was denen ihr politisches Überleben sicherte. Nach wie vor unterliegen die Massenmedien und große Teile der amtlichen westeuropäischen Politik ihren transatlantischen Ziehvätern und können damit die öffentliche Meinung steuern — und so die Bevölkerung auch in immer neue militärische Abenteuer mitreißen.

Eine durch Terroristen und deren ausländische Unterstützer in Geiselhaft genommene Bevölkerung auf dem Territorium Syriens wird von Syrien niemals hingenommen werden. Alle derzeitigen Verzögerungen beim Ziehen der militärischen Karte seitens der syrischen Armee sollten von den westlichen Interventionisten nicht falsch verstanden werden — was sie aber zumindest in Teilen tun.

Einerseits waren Syrien und seine Verbündeten im September 2018 gut beraten, die neu aufgebaute Propagandawelle zur Herbeiführung von Kriegshandlungen gegen das Land, ins Leere laufen zu lassen. Andererseits gehörte es während dieses Konflikts schon immer zur syrischen — und russischen Politik, friedliche Lösungen zu favorisieren und voranzutreiben.

Die Idlib-Deeskalationsvereinbarung

Außerdem führten auch weitere sehr praktische Gründe zu diesem Abkommen. So wurde der Türkei ein zeitlicher Rahmen gegeben, um die kriegswirtschaftlichen Strukturen aufzubrechen, welche den Islamisten ihr Überleben in Idlib bisher sicherten. Die bestanden vor allem aus einem Netzwerk zur Sicherstellung kontinuierlicher Geld- und Warenströme über die syrische-türkische Grenze. Desweiteren wurde die Türkei in die Pflicht genommen, ihr Terroristen-Refugium einzuhegen, vor allem die extrem militanten al-Qaida-Milizen wie HTS (Hayat Tahir al-Sham) von den „moderaten“, zu Verhandlungen bereiten Gruppen zu separieren.

Die Vertragsunterzeichner der Idlib-Vereinbarung, Russland und die Türkei, banden die UN-Gremien in die Vereinbarung ein und übersendeten diese als offizielles UN-Dokument an die aktuell ranghöchsten Persönlichkeiten in den Vereinten Nationen: Nikki Haley (Präsidentin des Sicherheitsrates) und Antonio Gutteres (UNO-Generalsektretär) (b1):



Als Dokument S/2018/852 ist das in Sotschi verabschiedete Deeskalationsabkommen für Idlib hier und in den Archiven der Vereinten Nationen einsehbar (17).

Doch ist die Bindung der Vertragspartner an dieses Abkommen von dessen Umsetzung abhängig. Dabei handelt es sich um sehr konkrete Schritte, die allesamt bis zum heutigen Tag unzureichend oder gar nicht umgesetzt wurden.

Beide Seiten verpflichteten sich, dafür Sorge zu tragen, dass der territoriale Status Quo vom 18. September 2018 vorerst unverändert bleibt — die türkische Seite durch Kontrollpunkte in der Provinz Idlib, die russische Seite durch ihre Präsenz auf der Seite der syrischen Armee. Dem hatte Syrien und auch der Iran zugestimmt (18).

Kernpunkt der Vereinbarung ist die Schaffung eines demilitarisierten 15 bis 20 Kilometer breiten Streifens zwischen den Konfliktparteien auf der Idlib-Seite, der sich insbesondere durch den vollständigen Abzug aller schweren Waffen manifestieren sollte. Diese Verpflichtung betrifft also nicht die syrische Armee sondern die illegal Bewaffneten und respektiert damit auch die immer wieder im Dokument betonte Anerkennung der Souveränität und Unteilbarkeit Syriens.

Der Abzug schwerer Waffen aus der Zone wurde von der russischen und türkischen Seite am 10. Oktober — dem im Vertrag definierten Termin — als erfolgreich abgeschlossen verkündet (19). Der Autor bezweifelt das und sieht hier ein diplomatisches Entgegenkommen Russlands an die türkische Seite. Kurz zuvor hatte die US-amerikanische USAID und die britische DfID bekannt gegeben, ihre Hilfslieferungen für Idlib einzustellen (20,a1). Bis zum 15. des Monats sollten auch alle radikalen terroristischen Gruppen aus der Grenzzone verschwunden sein, was definitiv nicht umgesetzt wurde.

Um den Personen- und Warenverkehr in Syrien wieder zu normalisieren, wurde festgelegt, zwei Autobahnen — die A4 (Latakia-Aleppo) und die A5 (Hama-Aleppo) — als Transitstrecken zu öffnen. Es gibt keine Informationen über eine erfolgreiche Umsetzung. Man muss wissen, dass die verschiedenen militanten Fraktionen in Idlib ihre Einnahmesituation gern durch die Erhebung von Wegezöllen verbessern und willkürlich Kontrollpunkte errichten, um den eigenen Machtbereich abzusichern. Unter solchen Bedingungen ist ein reibungsloser Autobahnverkehr zwischen den Metropolen schwer vorstellbar (21).

Der abschließende zehnte Punkt des Abkommens zeigt deutlich, dass die „Aufständischen“, die „Rebellen“, die „moderate Opposition“ keinesfalls den Status von Aufständischen, Moderaten oder Rebellen besitzen. Dieser Terminus kommt im Dokument erst gar nicht vor. Dafür aber:

„The two sides reiterated their determination to combat terrorism in Syria in all forms and manifestations.“ (22),

was zu deutsch heißt:

Die beiden Seiten bekräftigen ihre Entschlossenheit zur Bekämpfung des Terrorismus in Syrien in all seinen Formen und Ausprägungen.

Das Problem, dass in Idlib tausende bewaffnete, zum großen Teil ausländische Dschihadisten, also Terroristen ihr Unwesen treiben, harrt nach wie vor seiner Lösung.

Zivilisten in Geiselhaft

Nun wurde über eine weitere Provokation von Islamisten berichtet, die auf Randbezirke von Aleppo mit Chlorgas gefüllte Granaten feuerten (23). Über diesen Vorfall gibt es auch weitgehend neutrale Berichte durch die Leitmedien, so wie sich das für eine journalistischen Grundsätzen entsprechende Berichterstattung auch gehört (24). Dass sich ein Staatssender wie die Deutsche Welle unrühmlich an die Spitze der aktuellen Propaganda-Hitliste setzt, um den Vorfall zum Anlass zu nehmen, die altbekannten Lügen vom „Giftgas des Assad-Regimes“ zu streuen, kann leider kaum noch überraschen (25, a2).

Ein entscheidender Punkt aber fehlt: die Aufforderung seitens Syriens an die UNO-geführte OPCW unverzüglich vor Ort Beweismaterial zu sichern. Die OPCW ist technisch ohne Weiteres in der Lage, innerhalb von 24 Stunden vor Ort zu sein. Es ist der politische Wille, der das Erscheinen vor Ort verzögert oder verhindert.

Wie gehabt, werden beim Thema auf subtile Weise die Sachverhalte umgekehrt. Der Mainstream berichtet, dass die OPCW zum vermutlichen Chlogasangriff untersuchen will (26). Die Wahrheit ist, dass die OPCW unmissverständlich aufgefordert wurde, sofort nach Aleppo zu kommen, um Proben zu nehmen. Die Sicherheitslage in dem Gebiet ist — unter Berücksichtigung der nahegelegenen Idlib-Zone — als akzeptabel zu bewerten. Den OPCW-Ermittlern wurden — unter Einbeziehung des UN-Sicherheitsrates — zum wiederholten Male goldene Brücken durch die syrische Regierung gebaut (27) und zum wiederholten Male zieren sich die mit UNO-Mandat ausgerüsteten Verantwortlichen, über diese Brücken zu gehen.

Zuvor wurde unzählige Male die Idlib-Vereinbarung von den Terroristen verletzt. Mehrmals versuchte man im Süden, dort wo die Provinz Hama beginnt, die syrisch kontrollierte Seite zu infiltrieren (28, 29). Wiederholt wurden Raketen und Granaten abgefeuert und ganz offen die Missachtung der Deeskalationsvereinbarung nach außen kommuniziert. An diesen Attacken war auch die neugebildete und von der Türkei unterstützte National Front for Liberation (NFL) beteiligt (30).

Die flagrante Verletzung der Waffenstillstandsruhe durch islamistische Gruppen in Idlib hat Konsequenzen. So wurden die Luftangriffe auf Stellungen der mit HTS verbündeten Milizen in der Provinz Idlib seitens der russischen Luftwaffe — nachdem sie seit Mitte September 2018 ausgesetzt waren — nun wieder aufgenommen (31).

Die Integration der neuen S-300 — Systeme in die syrische Luftverteidigung dürfte nun — so der im September verkündete Plan — abgeschlossen sein. Passend dazu wurden Ende November Angriffe auf Objekte im Großraum Damaskus von der syrischen Luftabwehr vereitelt (32). Die Dimension dieser Angriffe ist noch nicht klar, gewöhnlich bestätigt die israelische Armee solche Meldungen offiziell nicht (33). Die syrischen Verantwortlichen betonten aber, dass das neue S-300 — System bei der Bekämpfung der Ziele bislang nicht zum Einsatz kam (34). Für einen weiteren drohenden „Vergeltungsschlag“ des Wertewestens ist Syrien jedoch nun bedeutend besser gerüstet.

Damit ist jedoch die Deeskalationsvereinbarung für Idlib nicht vom Tisch und der Astana-Prozess schon gar nicht. Am 28. und 29. November 2018 trafen sich die Garantiemächte Russland, die Türkei und der Iran, um ihr weiteres Vorgehen abzustimmen.

Das Abschlussdokument enthält klare Aussagen (Übersetzung durch PA ist sinngemäß und stark gekürzt):

„Die Einheit territoriale Integrität und Souveränität Syriens — ganz der UN-Charta entsprechend — wird von den Teilnehmern in Gänze bestätigt.

Sie betonen, dass jeder Versuch, diesen Anspruch Syriens durch Untergrabung des Astana-Prozesses aufzuweichen, verhindert werden muss.

Sie weisen alle Versuche zurück, unter dem Vorwand der Bekämpfung des Terrorismus vor Ort neue Realitäten zu schaffen und stellen sich gegen jede separatistische Agenda, welche die Einheit Syriens wie auch die Sicherheit seiner Nachbarn gefährdet.

Sie stehen weiterhin zur am 17. September 2018 geschlossenen Deeskalationsvereinbarung für Idlib und sind besorgt über die fortwährenden Verletzungen seiner Beschlüsse. Zur Durchsetzung des Waffenstillstandes wird das gemeinsame Koordinationszentrum der drei Staaten stärker einbezogen.

Sie betonen erneut, dass das Deeskalationsabkommen zu Idlib unter keinen Umständen die Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und territoriale Integrität Syriens unterminieren wird.

Sie bestätigen ihre Entschlossenheit zur Kooperation bei der ultimativen Eliminierung von Daesh [Islamischer Staat], al-Nusra-Front [HTS], sowie aller anderen Gruppen, die mit al-Qaida beziehungsweise erstgenannten in Verbindung stehen.

Alle weiteren bewaffneten Gruppen in Syrien werden aufgerufen, sich unverzüglich von den [oben genannten] militanten Gruppen abzuwenden.

Sie sind äußerst besorgt über die Verwendung chemischer Waffen in Syrien und fordern, dass Untersuchungen in dieser Richtung unverzüglich und professionell und damit in Übereinstimmung zur Konvention für die Verhinderung der Entwicklung, Produktion, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen durch die OPCW erfolgen zu haben.

Sie stützen ihr Vorgehen auf die Einsicht, dass eine rein militärische Lösung für den Syrien-Konflikt nicht möglich ist, dass die Konfliktlösung nur durch Syrer geführt und auch nur durch Syrer autorisiert werden kann, was den Beschlüssen der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrates entspricht.

Das gleiche gilt für die Konstituierung eines [verfassungsgebenden] Komitees in Genf, das von den wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen Syriens getragen sein muss.

Sie betonen, dass alles zu unternehmen ist, was der Wiederherstellung eines normalen, friedlichen Lebens der syrischen Bevölkerung dient. In dem Sinne rufen sie die UNO und deren humanitäre Organisationen auf, ihre Unterstützung für die syrische Bevölkerung zu verstärken.

Sie unterstreichen die Notwendigkeit, Bedingungen für eine sichere und freiwillige Rückkehr aller Menschen in ihre Heimatorte zu schaffen. Hierzu sind sie bereit, mit dem Hochkommissar für Flüchtlinge bei den Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten.

Das nächste Treffen der Astana-Mitglieder ist für Anfang Februar 2019 geplant.“ (35)

Es ist bezeichnend, dass die Stellungnahme der Mitglieder des Astana-Prozesses keinerlei Würdigung in den deutschen Massenmedien erfuhr.

Was berichten die deutschen Leitmedien stattdessen über Syrien? Zum Abschluss bekommen Sie eine eindrucksvolle Kostprobe zur Art und Weise der Berichterstattung unserer öffentlich-rechtlichen Medienanstalten. Eine die manipulativ und hochgradig selektiv ist. Syrien dient dabei nur als ein Beispiel. Weitere zu finden, dürfte dem geübten Leser nicht zu schwer fallen (b2):



Bitte bleiben Sie schön aufmerksam.


Anmerkungen und Quellen

(a1) Aus Deutschland flossen auch im Herbst 2018 noch Gelder in dreistelliger Millionenhöhe in das Terroristen-Refugium Idlib. In welcher Weise die deutsche Regierung Einfluss auf die Verwendung dieser Gelder nimmt, kann oder will sie nicht berichten (36).

(a2) Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass ein Sender wie die Deutsche Welle (DW) — hundertprozentig aus dem Bundeshaushalt finanziert (37) — sich über staatstragende Medien anderswo echauffiert (38) und dabei gleichzeitig und ungeniert ihre Rolle als staatstragender Propagandalautsprecher für die eigene Regierung im In- und Ausland ausfüllt. So wie die DW von deutschen Bedingungen für einen Wiederaufbau Syriens fabuliert und dabei tunlichst verschweigt, wer die syrischen Zerstörungen in deutschen Landen mit zu verantworten hat (39).

(Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden. Bei Verlinkungen auf weitere Artikel von Peds Ansichten finden Sie dort auch die externen Quellen, mit denen die Aussagen im aktuellen Text belegt werden. Letzte Bearbeitung am 11. September 2021.

(1) 24.11.2018; https://flutterbareer.wordpress.com/2018/11/23/islamischer-staat-attackiert-kurdische-stellungen/

(2) 23.11.2018; https://www.islamicinvitationturkey.com/2018/11/23/iraqi-hezbollah-us-attempting-to-push-isil-from-syria-to-iraq-2/; Originalquelle: RT-arabisch

(3) 22.11.2018; http://tass.com/politics/1031974

(4) 28.11.2018; https://flutterbareer.wordpress.com/2018/11/27/islamischer-staat-ueberrennt-sdf-stellungen/

(5) 30.11.2018; http://tass.com/world/1033580

(6) 29.11.2018; https://southfront.org/us-led-airstrikes-hit-isis-prison-with-sdf-members-video/

(7) 24.11.2018; http://tass.com/politics/1032364

(8) 3.2.2011; https://www.seemoz.de/kontrovers/%E2%80%9Eer-ist-ein-hurensohn-aber-er-ist-unser-hurensohn%E2%80%9C/

(9) 20.11.2018; http://english.almanar.com.lb/626078

(10) 23.11.2018; https://southfront.org/syrian-war-report-nov-23-2018-us-backed-forces-clashing-with-isis-in-deir-ezzor-province/

(11) 28.11.2018; https://sana.sy/en/?p=152248

(12,17) 24.11.2018; https://english.alahednews.com.lb/45447/499

(13) 28.4.2018; https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2018/04/28/russland-will-soeldnern-syrien-entscheidenden-schlag-versetzen/

(14) 1.11.2018; https://sana.sy/en/?p=150201

(15,22) 18.9.2018; http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2018/852

(16) 22.11.2018; https://www.islamicinvitationturkey.com/2018/11/22/french-experts-equip-tahrir-al-sham-missiles-in-idlib-with-chemical-warheads/

(18) 19.9.2018; https://www.thenational.ae/world/mena/full-text-of-turkey-russia-memorandum-on-idlib-revealed-1.771953

(19) 10.10.2018; http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-tuerkei-verkuendet-abzug-aller-schweren-waffen-aus-zone-um-idlib-a-1232588.html

(20,21) Thomas Pany; 4.10.2018; https://www.heise.de/tp/features/USAID-und-britische-Regierungsbehoerde-stoppen-Hilfslieferungen-nach-Idlib-4181257.html

(23) 25.11.2018; http://tass.com/world/1032392

(24) 25.11.2018; https://www.tagesschau.de/ausland/syrien-aleppo-gas-101.html

(25) 25.11.2018; https://www.dw.com/de/neuer-mutma%C3%9Flicher-giftgaseinsatz-in-aleppo/a-46443517

(26) 26.11.2018; https://www.tagesspiegel.de/politik/syrien-chemiewaffen-organisation-opcw-will-ermittler-nach-aleppo-schicken/23681562.html

(27) 25.11.2018; https://www.sueddeutsche.de/politik/syrien-raetselraten-ueber-giftgasangriff-in-aleppo-1.4226733

(28) 24.11.2018; https://www.islamicinvitationturkey.com/2018/11/24/syrian-army-unleashes-powerful-attack-in-northern-hama/

(29) 2.12.2018; https://sana.sy/en/?p=152531

(30) 29.11.2018; https://southfront.org/syrian-army-strikes-militant-positions-in-northern-hama/

(31) 26.11.2018; https://flutterbareer.wordpress.com/2018/11/26/russland-fliegt-wieder-angriffe-in-syrien/

(32) 29.11.2018; https://sana.sy/en/?p=152381

(33) 30.11.2018; https://www.afp.com/en/news/15/israel-first-syria-strikes-air-defence-upgrade-monitor-doc-1b834f2

(34) 29.11.2018; https://southfront.org/breaking-syrian-air-defense-forces-shoot-down-enemy-objects-over-damascus/

(35) Russisches Außenministerium; 29.11.2018; http://www.mid.ru/en/foreign_policy/news/-/asset_publisher/cKNonkJE02Bw/content/id/3424004

(36) 18.11.2016; https://www.dw.com/de/wer-finanziert-die-dw/a-279073

(37) 2.9.2015; https://www.dw.com/de/russlands-tv-propaganda-zeigt-wirkung/a-18679134

(38) 30.10.2018; https://www.tagesspiegel.de/politik/49-millionen-euro-fuer-assad-gegner-bundesregierung-hilft-idlib-rebellen-in-syrien/23247768.html

(39) 5.9.2018; https://www.dw.com/de/syriens-wiederaufbau-mit-deutschem-geld/a-45196296

(b1) Bildschirmausschnitt aus dem Deeskalationsabkommen für die syrische Provinz Idlib zwischen der Türkei und Russland; 18.9.2018; entnommen bei: https://www.thenational.ae/world/mena/full-text-of-turkey-russia-memorandum-on-idlib-revealed-1.771953

(b2) Bildschirmausschnitt der ARD-Tagesschau Online-Präsenz; 30.11.2018, 15:20 Uhr; Suche: Syrien; sortiert nach neuestem Datum; https://www.tagesschau.de/suche2.html?query=Syrien&sort_by=date

(Titelbild) Karte, Syrien; Autor: MichaelGaida (Pixabay); Erstellt: Juni 2018; Quelle: https://pixabay.com/de/landkarte-syrien-aleppo-fl%C3%BCchtlinge-3473138/; Lizenz: CC0 Creative Commons

Von Ped

5 Gedanken zu „Terroristen-Refugium Idlib“
    1. Oh je, oh je, was für ein Schluderfehler.
      Großes Dankeschön, für Ihren Hinweis! Fehler ist behoben.

      Herzliche Grüße, Ped

  1. Hallo Ped,

    ich wollte dir schon längst mal danken für deinen Blog und die herausragenden Beiträge und Analysen. Das gilt nicht nur für Syrien, sondern ganz allgemein.

    Hab selbst schon extrem viel über den verlogenen und schmutzigen Krieg über Syrien geschrieben ( bei Wallstreet online: Syrien & Irak – Ursachen und Lösungen) mit vielen vielen Quellenangaben und hab auch schon Artikel von dir verlinkt.

    Hoffe das du noch lange weitermachst!!

    blueoctopus


    Danke! Auch an Sie alles Gute und herzliche Grüße, Ped

  2. Salut Ped,
    vielen Dank für deinen hervorragenden und sehr gut recherchierten Blog!
    Ein Wermutstropfen bleibt die Lesbarkeit der langen Artikel, da die Fußnoten nicht “ verlinkt“ sind. Im Gegensatz zur Papierversion solcher Texte läßt sich auf elektronischen Medien nicht blätter/nachschlagen sondern nur scrollen. Das stört doch den Lesefluß erheblich.
    Weiterhin einen langen Atem und einen guten Rutsch wünscht dir

    Hellmet


    Danke Hellmet, auch für die Hinweise und Vorschläge! Zum Jahresende werde ich in einem gesonderten Artikel, der sich mit dem Blog und seinen Lesern allgemein beschäftigt, noch einmal auch darauf zurückkommen.
    Herzliche Grüße, Ped

Kommentare sind geschlossen.